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fielen die Holzkirchen fast ausnahmlos an das rnthenische und rumänische Volk, das dein
griechischen Bekenutuis folgte. Bei diesem Besitzwechsel blieben sie »ach Äußerem und Aufbau
unverändert, die innere Einrichtung und Ausstattung jedoch wurde dem griechischen Ritns
angepaßt. Die neuen Besitzer eigneten sich bei der Besitzergreifung der Kirchen deren Knnst
an, blieben dieser über 209 Jahre lang unverbrüchlich treu, widmeten ihr als ihrer eigenen
Kunst eine liebevolle Pflege, zimmerten an der Stelle und nach dem Vorbilde der alten neue
und immer neuere Kirchen, und so kam es, daß in dieser Gegend der gothische Holzbau
mehr als fünf Jahrhunderte überdauerte. Diese Kirchen stehen ausnahmslos auf Kirch-
höfen, die mit einem geflochtenen Zaun eingefriedet sind. Ihr Schiff ist durch ein Geländer
in zwei Abtheilungen geschieden, deren westliche den Frauen, die größere östliche aber den
Männern gehört; das dreiseitig abschließende Chor ist vom Schiff durch ein Ikonostas
getrennt, der an der Westseite befindliche Eingang hat eine geschlossene oder offene Vorhalle.
Auf längsweise gelegten Schwellhölzern, seltener auf steinerner Unterlage erhebt sich der
aus Eichenbohlen gefügte Blockbau, der weder mit Brettern, noch mit Schindeln verschalt
ist. Die massiven, von kleinen Fenstern durchbrochenen Wände tragen ein mit schön
geschnitzten Schindeln gedecktes, breit vorragendes, steiles Satteldach. Manche haben zwei
Fensterreihen übereinander und zwischen diesen ein Pultdach, was sie äußerlich der
Basilikaform nähert. Der Thurm steigt bald über der Vorhalle, bald über der Frauen-
abtheilung aus dem Satteldach empor und hat über niedrigem Bogenerker ein schlankes,
pyramidales Helmdach, oft mit vier Eckthürmchen. Das Äußere der Kirche macht infolge
der gedrungenen Constrnction einen düsteren Eindruck, der noch durch die dunkle Farbe
des Holzes und den Schlagschatten des breiten Vordaches gesteigert wird. Hingegen
erhält der Thurm durch den Erker, der eine spitzenähnlich gefügte Brustwehr aus hübsch
geschnitzten Latten hat, und noch mehr durch den schlank emporschießenden Helm einen
ungemein lebendigen Charakter. Auf diesem Gegensatze beruht die ungewohnte, förmlich
bewältigende Außenwirkung der Kirche. Neben den thurmlosen Kirchen finden sich
freistehende Thürme als Glockenstühle. Diese sind oft ansehnliche Constrnctionen und
in ihrer Form den Kirchthürmen ähnlich. Anch im Säroser Comitat gibt es einige Holz-
kirchen von dentschem Ursprung, so in Hervartö; doch haben diese ihren gothischen
Charakter, mit Ausnahme des dreiseitigen Abschlusses, ganz eingebüßt. Der Einfluß der
byzantinischen Baukunst zeigt sich an den in den Comitaten Säros, Zips, Liptan und
mitunter anch in den übrigen vorkommenden Holzkirchen, die den russischen und galizischen
Dorfkirchen ähneln. Viele von diesen entsprechen in der Anlage dem griechischen Kreuz.
Äußerlich sind sie durch die kuppelsörmigen niederen Thürme über der Vorhalle, dem
Schiff und dem Chor gekennzeichnet. Diesem Typus entsprechen z. B. die Dorfkirchen von
Felsö-Polyänk, Regcitö, Krusztyova, Andräsvägäs und Kocsän im Säroser Comitat.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch