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hier arbeitete. Die Freude am Ornament und die ungewöhnliche Erfindungsgabe,
ferner die hie und da bemerkbare Künstelei, sowie die Rohheit einzelner Formen
verrathen den Meister des XVI. Jahrhunderts, der sich auch von Florenz Einiges
angeeignet hat, zumeist aber unter oberitalienischem Einflnß stand. Der Spitzgiebel des
Thores ist durch oberitalienische Derbheit gekennzeichnet: die doppelten und dreifachen
Fenster nebst dem Ornament ihres Rahmens deuten auf Venedig, die Säulen des großen
Fensters im Rittersaale auf Palladio.
Obgleich die türkische Drohung unausgesetzt über dem Lande hing und die Verhältnisse
auch sonst nicht günstig waren, fanden sich doch im Lanse des XVI. Jahrhunderts Mehrere,
die der Aufenthalt iu den umgestalteten Bürgen nicht befriedigte, so daß sie sich in der
Ebene Wohnsitze schnsen,die der Bequemlichkeit besser dienten und dabei auch vertheidigungs-
fähig waren. Die dergestalt entstandenen „Castelle" (Wohnschlösser) leisteten gleichfalls
der Einbürgerung der Renaissance Vorschub. Das Castell zu Marksdorf (Markusfalva)
hat noch mehr den Charakter eines Festungswerks und bildet gleichsam einen Übergang
von der Burg zum Schloß; die Wohugebüude erheben sich um den länglichen, mit vier
Eckthürmen befestigten Hos. Gegenwärtig liegt es zum Theil in Trümmern. In der Zips
ist das Castell von St ehre (Nagy-Eör) einer der ersten Vertreter der Architektur des
XVI. Jahrhunderts, da die unter der Einwirkung des Zeitgeistes veränderte Lebensweise
die drückende Unbequemlichkeit der Burgen abzuschütteln trachtet, aber auch noch nicht
ganz auf die Anforderungen der Vertheidigung verzichten kann. Dieser Bau ist durch den
berühmten Gelehrten uud warmen Freund theologischer Disputationen, Gregor Horväth
Stansith von Gradeez im anmuthigen Popperthal zwischen 1580 und 1590 ansgeführt
worden. Er ist freistehend, viereckig und einstöckig; den mürrischen, trotzigen Ernst der
schweren, ungegliederten Masse steigern noch die vier viereckigen Eckthürme, mit ihrem
aus Renaissanceformen gebildeten Zinnenkreuz. In Anordnung und Aufbau ähnlich ist
das Castell zu Brunöcz im Nentraer Comitate. Es wurde zwischen 1690 und 1695 durch
den Grafen Nikolaus Bercsenyi, den berühmten General Franz Raköezi's II. erbaut.
Ursprünglich war es ein durch Wall und Graben vertheidigtes viereckiges Gebäude. Ende
des XVIII. Jahrhunderts wurde der dem Waagfluß zugekehrte Flügel demolirt, wodurch
es die damals moderne Hnfeiseusorm erhielt, mit drei Flügeln, die einen offenen schmalen
Hos umgeben. Gleichzeitig wurde die Umfassungsmauer abgetragen und der Graben aus-
gefüllt. Der einzige Eingang hatte einst eine Zugbrücke. An den vier Ecken erheben sich derbe,
viereckige Thürme, deren einer unvollendet ist. Die Zwiebelkuppelu der Thürme stammen
gleichfalls aus dem XVIll. Jahrhundert. Von dem gewaltigen einstöckigen, einst ebenfalls
mit Wall und Graben befestigten Castell zu Nagy-Bossany im Ncutraer Comitate
stehen nur die Hauptfronten, ein Theil des linken Flügels nnd zwei große, sechseckige
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch