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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
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10 vorherrschenden, ehrwürdigen, wunderbaren Gebäude sorgen schon dafür, daß wir uns in einer ganz besonderen Welt fühlen. Die Mittagsstunde hat soeben geschlagen. Auf dem halbleeren Platze sieht man plötzlich Leute, die ihr Haupt entblößen und zu beten anfangen: der Friedensengel, Angelus Domini, fliegt eben über die Stadt und läßt ihre Glocken erklingen. Dann dringt zu uns, von der Höhe des Frauenkirchenthurmes herab, eine seltsame, weit schallende und doch sanfte Melodei. Krakau besitzt kein Glockenspiel, das so manches süddeutsche und norditalienische Städtchen ergötzt. Alle Stunden, Tag und Nacht, blasen dafür die Thürmer der Marienkirche ein altes Lied, und zwar viermal, in die vier Weltgegenden hinaus. Im Mai, in dem der heiligen Jungfrau geweihten Monate, lassen die Thürmer auch Frühmorgens, nach Sonnenaufgang, fromme Melodien in die noch schlummernde Stadt erklingen. Die Marienkirche kehrt dem Ringplatze zwei große rothe Thürme zu, welche mit den Jahren dunkel geworden sind. Der linke ist schlanker und höher und läuft in eine originelle, leichte Bedachung aus: in acht Thürinchen, welche die Mittelspitze umgeben. Von dorther ergießen sich zu jeder Stunde jene weithin klingenden, eben erwähnten Melodien. Der zweite Thurm ist um vieles niedriger und trägt eine Mütze im Barockstil. Die Legende erzählt, daß zwei Brüder, beide Architekten, es unternommen hätten, diese Thürme aufzubauen. Der Eine, der jüngere, dachte nur daran, daß sein Bau so hoch als möglich emporschieße. Der Andere legte indessen mächtige, breite Stützen unter den seinen. Plötzlich bemerkte der jüngere Bruder, daß er die Arbeit nicht höher führen könne, weil die Fundamente eine weitere Last nicht mehr ertragen konnten. In einem Augenblick von Schmerz und Besinnungslosigkeit erstach er den Bruder. Der zweite Thurm blieb unvollendet; das Messer, mit welchem der Brudermord vollbracht wurde, hängt im Thor- wege der Tuchhalle. Vou dem ersten, im Jahre 1226 begonnenen Holzbau der Marienkirche ist keine Spur geblieben. Der heutige trägt den Stempel einer viel späteren Zeit nnd hat vorzüglich den Charakter der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Es ist ein gothischer Ziegelbau, welcher viele Details in Steinausführung und Spuren begonnener, aber nicht ausgeführter Strebepfeiler und Strebebogen an sich trägt. Die Marienkirche ist die schönste nnd älteste Kirche Krakaus. Mit der Geschichte der reichen städtischen Bürgerschaft innig verwachsen, enthält sie Beweisstücke der Andacht ganzer Generationen. Nach der Verwüstung des Landes durch die Tataren im XIII. Jahrhundert ertheilte Boleslans der Schamhafte (?uäicus), Fürst von Krakau und Saudomir, deutschen Ansiedlern das Privileg, sich nach Magdeburgischem Rechte einzurichten. So wurde die Stadt zur Hälfte deutsch, und die Marienkirche war lange Zeit hindurch ein deutsches Gotteshaus, in welchem sich die nun fremde Bürgerschaft taufen und begraben ließ.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Volume 19
Title
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Subtitle
Galizien
Volume
19
Editor
Erzherzog Rudolf
Publisher
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Location
Wien
Date
1898
Language
German
License
PD
Size
16.48 x 22.34 cm
Pages
920
Keywords
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Categories
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