Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kronprinzenwerk
deutsch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Seite - 10 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 10 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19

Bild der Seite - 10 -

Bild der Seite - 10 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19

Text der Seite - 10 -

10 vorherrschenden, ehrwürdigen, wunderbaren Gebäude sorgen schon dafür, daß wir uns in einer ganz besonderen Welt fühlen. Die Mittagsstunde hat soeben geschlagen. Auf dem halbleeren Platze sieht man plötzlich Leute, die ihr Haupt entblößen und zu beten anfangen: der Friedensengel, Angelus Domini, fliegt eben über die Stadt und läßt ihre Glocken erklingen. Dann dringt zu uns, von der Höhe des Frauenkirchenthurmes herab, eine seltsame, weit schallende und doch sanfte Melodei. Krakau besitzt kein Glockenspiel, das so manches süddeutsche und norditalienische Städtchen ergötzt. Alle Stunden, Tag und Nacht, blasen dafür die Thürmer der Marienkirche ein altes Lied, und zwar viermal, in die vier Weltgegenden hinaus. Im Mai, in dem der heiligen Jungfrau geweihten Monate, lassen die Thürmer auch Frühmorgens, nach Sonnenaufgang, fromme Melodien in die noch schlummernde Stadt erklingen. Die Marienkirche kehrt dem Ringplatze zwei große rothe Thürme zu, welche mit den Jahren dunkel geworden sind. Der linke ist schlanker und höher und läuft in eine originelle, leichte Bedachung aus: in acht Thürinchen, welche die Mittelspitze umgeben. Von dorther ergießen sich zu jeder Stunde jene weithin klingenden, eben erwähnten Melodien. Der zweite Thurm ist um vieles niedriger und trägt eine Mütze im Barockstil. Die Legende erzählt, daß zwei Brüder, beide Architekten, es unternommen hätten, diese Thürme aufzubauen. Der Eine, der jüngere, dachte nur daran, daß sein Bau so hoch als möglich emporschieße. Der Andere legte indessen mächtige, breite Stützen unter den seinen. Plötzlich bemerkte der jüngere Bruder, daß er die Arbeit nicht höher führen könne, weil die Fundamente eine weitere Last nicht mehr ertragen konnten. In einem Augenblick von Schmerz und Besinnungslosigkeit erstach er den Bruder. Der zweite Thurm blieb unvollendet; das Messer, mit welchem der Brudermord vollbracht wurde, hängt im Thor- wege der Tuchhalle. Vou dem ersten, im Jahre 1226 begonnenen Holzbau der Marienkirche ist keine Spur geblieben. Der heutige trägt den Stempel einer viel späteren Zeit nnd hat vorzüglich den Charakter der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Es ist ein gothischer Ziegelbau, welcher viele Details in Steinausführung und Spuren begonnener, aber nicht ausgeführter Strebepfeiler und Strebebogen an sich trägt. Die Marienkirche ist die schönste nnd älteste Kirche Krakaus. Mit der Geschichte der reichen städtischen Bürgerschaft innig verwachsen, enthält sie Beweisstücke der Andacht ganzer Generationen. Nach der Verwüstung des Landes durch die Tataren im XIII. Jahrhundert ertheilte Boleslans der Schamhafte (?uäicus), Fürst von Krakau und Saudomir, deutschen Ansiedlern das Privileg, sich nach Magdeburgischem Rechte einzurichten. So wurde die Stadt zur Hälfte deutsch, und die Marienkirche war lange Zeit hindurch ein deutsches Gotteshaus, in welchem sich die nun fremde Bürgerschaft taufen und begraben ließ.
zurück zum  Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Band 19
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Galizien
Band
19
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1898
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
16.48 x 22.34 cm
Seiten
920
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild