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dessen „ganze breite Kraft, die saftige Formensprache, die gediegene Raumentfaltung" von
C. Gurlitt anerkannt wurde. Weiter treffen wir auf die S t . Andreaskirche, welche
noch viele Merkmale ihres ursprünglichen, romanischen Charakters an sich trägt. Endlich
noch die kleine gothische S t . Ägidiuskirche mit ihren marmornen Chorstühlen aus der
Zeit der Renaissance und einzelnen Proben der localen Zunftmalerei. Rechts davon erhebt
sich vor unseren Blicken die majestätische Burg von Krakau. Sie steht auf der Wawel
genannten Anhöhe. Ehemals ragten dort sicherlich mehr Thürme auf, als heute; am Ende
des XVIII. Jahrhunderts standen hier noch drei Kirchen. Gegenwärtig ist nur eine übrig,
die Kathedrale.
Die königliche Burg ist in Kasernen umgewandelt worden; von Militärspitälern
umgeben, durch Feuersbrünste, Einfälle und das Hausen der Rekruten ganz zugrunde
gerichtet, besitzt sie nur mehr wenige Spuren ihrer einstigen Pracht. Nur von außen
imponirt sie noch, indem sie von ihrer Höhe stolz auf die Stadt und die Vorstädte herab
blickt. Allein, von dem ungeheuren prächtigen Hofe abgesehen, welcher an drei Seiten von
einer kühnen, durch drei Stockwerke laufenden, gegenwärtig überlasteten, umgebauten
Eolonnade umgeben ist, bietet das Innere einen traurigen Anblick dar. In einem der
größeren Säle wurden die Marmorsäulen durch hölzerne Pfeiler ersetzt, in einem andern
wurde die caffettirte Decke mit einer Tünchsoffite verkleidet. Die herrlichen Fenster des
ersten und zweiten Stockwerks aus den Perioden der Gothik und der Renaissance sind
vermauert, die schönsten Thüren muß man heute in der Regimentsküche suchen. In dem
alten, gewölbten, auf einem Pfeiler ruhenden Saale liegen jetzt die kranken Soldaten. Die
ganze südliche Seite des Wawel nehmen moderne, häßliche Bauten ein, Spitäler oder
Kanzleien. Nur an einigen Stellen haben sich alte Stnccoarbeiten und Thüreinfassungen
erhalten, nur hier und dort zeigt sich eine nnverwischte Spur, ein Wappen der Wasa-
Dynastie. Drei alte Thürme strecken noch ihre, von kleinen Fensterchen durchlöcherten
Ziegelmauern in die Höhe. Keine Restanrirung wird jemals die ehemalige Burg der Piasten
und der ersten Jagiellonen wieder erstehen machen können, sie vermöchte höchstens den
Anblick der Burg, wie er im XVI. Jahrhundert war, zu erneuern. Einen Jeden, der heute die
Burg betrachtet, müssen zwei Inschriften frappiren; beim Eintritt in den Hof lesen wir:
,8i veus nvbiseum, cznis contra nos«? und an dem erwähnten Erker treten die
melancholisch stimmenden Worte hervor: .l 'ernpora inutantur et nc>s innwnnn- in illis«.
Auch die Kathedrale der Stadt Krakau bedarf der Reuovirung.
Wir treten durch ein Thor ein, das der Spät-Renaifsance angehört, und staunen
die an eisernen Ketten hängenden Riesenknochen irgend eines vorsündfluthlichen Thieres
an. Links ragt der Uhrthurm in die Höhe, den eine leichte malerische, aus dem Anfang
des XVIII. Jahrhunderts datirende Kupferhaube deckt. Rechts befindet sich der sogenannte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch