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des Stryer-Parkes mit einander in Verbindung treten, so haben wir dann anch keine
Berge, sondern eine continnirliche Hochebene vor uns.
Die nördliche Grenze des Plateau's ist recht deutlich durch einen Steilrand markirt.
Wenn wir von der Station Podzanieze aus unsere Reise gegen Osten mit der Eisenbahn
Lemberg-Podwoloczhska antreten, fahren wir circa 80 Kilometer längs dieses Steilrandes.
Zu unserer Rechten erhebt sich eine anmuthige, scheinbar senkrechte, mit üppigen Gestrüpp
und Laubwaldungen geschmückte, zu unterst aus Kreidemergel, in den oberen Partien aus
miocäuen Kalken und Sandsteinen ansgebante Wand bis zu einer Höhe von 350 bis
412 Meter, zu unserer Linken dehnt sich eine weite, sandige, öfters von Sumpf uud Moor
unterbrochene, stellenweise dunkle Inseln von Nadelwaldungen tragende Niederung, die die
durchschnittliche Höhe von 250 Meter über dem Meeresspiegel erreicht und die Fortsetzung
der nordgalizischen Tiefebene ist.
Wir befinden uns auf der Wasserscheide zwischen der Ostsee uud dem Schwarzen
Meere. Die Qnellen, die dem Fuße des podolischen Steilrandes entspringen, senden ihre
Wässer dnrch den Bug und durch den Styr der Weichsel und dem Dniepr zu, dagegen
nehmen sämmtliche Bäche uud Flüsse an der Oberfläche des Plateau's ihren Weg gegen
Süden zum Dniester.
Auf dieser Landhöhe liegt an der von Krasne nordöstlich ziehenden Eisenbahn nahe
an der russischen Grenze in waldiger und sumpfiger Umgebung Brody, früher eine der
bedeutendsten Handelsstädte Galiziens. Wir aber verfolgen zu einem längeren Besuche der
podolischen Hochebene von Krasne aus die südöstlich laufende Bahnlinie. An armseligen
Hütten, die eher für die gänzliche Bedürfnißlosigkeit als für die große Armuth des hiesigen
Bauers zeugen, an bebauten, jedoch nicht übermäßig fruchtbaren Feldern, an nassen Wiesen
vorüber, braust unser Zug der Bezirksstadt Ztoczöw zu. Dem Fremden, der zum ersten
Male Galizien bereist, füllt nebst der Armseligkeit der Lehmhäuser des Dorfbewohners
auch der gänzliche Mangel der Cultur der Obstbäume bei den Bauern auf. Was da bei
den Hütten sich befindet, ist Alles wild, nncultivirt, also Holzbirnen, Waldapfelbäume,
Schlehdorn und zufällig gepflanzte, aber verwilderte Zwetschke. Der Baner hat keine Lnst,
edle Obstarten zu pflanzen, er behauptet nämlich, daß das gute Obst Gefahr laufen würde,
von den Nachbarn gestohlen zu werden, während dem das unedle, saure so wenig Anzie-
hungskraft für andere hat, daß es zu seinem ausschließlichen Privatgebrauch bleibt. Dafür
pflanzt er mit besonderer Vorliebe den Weidenbanm. Es ist nicht übertrieben, wenn man
behauptet, daß der hiesige Baner ohne die Weide gar nicht existiren könnte. Er benützt
sie sowohl als Baumaterial für seine Schuppen und Zäune, als auch als Heizmaterial
und für manch anderen Zweck. Die brave, gute Weide! . . . Fast jedes Jahr wird sie
furchtbar verstümmelt, indem sämmtliche Zweige, theilweise sogar der Stamm selbst
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch