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großen Trappen, die Riesen unter den Vögeln der Steppe. Jetzt ist allerdings ihre Furcht
vor dem Menschen unbegründet, da es Sommer und somit Schonzeit ist, aber in
einigen Monaten, sobald der erste Reif die schwachen Blumen der Steppe knickt, beginnt
die fröhliche Jagd. Vorsichtig muß man da zu Werke gehen, denn der Vogel ist scheu,
sehr scheu.
Die Gegend beginnt sich zu beleben. An großen Viehherden, die an den Brunnen
ihre Morgenruhe halten, reiten wir weiter westwärts. Zahlreiche, kleinen Tannen nicht
unähnliche Eqniseten, die knisternd unter den Pferdehufen zusammenknicken, verrathen die
Nähe des Hochmoors. Kleine Tümpel, in denen das dunkle Wasser durch Binsen und
Schilfrohr durchsieht, zwingen uns vom Pferd abzusteigen und unsere Wanderung zu Fuß
fortzusetzen.
Welche Lust für den Waidmann! Wer wäre im Stande Alles aufzuzählen, was
da kreucht und fleucht, und treu das Leben zu schildern, das da in dem nassen Theil der
Steppe pulsirt? Laut aufschreiend erhebt sich eine aufgescheuchte Kiebitzfamilie und verfolgt
uns auf Schritt und Tritt mit ihrem fcharftönigen „Kiwit", „Kiwit". Ganze Schaaren
von Wildenten, darunter auch einige für den Zoologen interessante nordische Formen,
streichen über unseren Köpfen hinweg, um sich in den entfernteren Tümpeln zu verstecken.
Piepend steigen die Bekassinen auf und bringen durch ihren raschen zickzackförmigeu Flug
deu Anfänger in der edlen Waidmannskunst zur Verzweiflung. Dafür zieht lautlos und
geradlinig die Doppelschnepfe unmittelbar über dem Boden, ein Prachtschuß auch für den
minder Geübten. Schon außerhalb der Schußweite erglänzt auf dem dunkelgrünen Hinter-
grunde ein Silberreiher, dessen schöne und kostbare Federn die Jagdbegierde reizen. Mit
Gleichgiltigkeit gegen die nassen Füsse steht er stundenlang im Wasser, um seine Beute zu
erspähen. Auch der Kranich ist nicht selten, obwohl seine Zugzeit noch nicht begonnen hat.
Der ist noch scheuer als sein soeben erwähnter Verwandter, und der Jäger kann vom Glück
sprechen, wenn er ihn auf die Strecke bekommt. Dafür spaziert der dreiste Storch stolz in
unserer unmittelbaren Nähe, sich dessen wohl bewußt, daß er von uns nichts zu befürchten
hat. Glaubt doch der Bauer, daß jede Mißhandlung dieses Langschnäblers unbedingt die
Rache seiner Verwandten nach sich zieht, sind ja doch Fälle vorgekommen — so meint er
— daß der Storch aus Rache durch glimmende Holzstücke das Haus in Brand steckte;
übrigens ist das Storchschießen eine Todsünde und zieht sicher eine Krankheit, wenn nicht
was Schlimmeres nach sich. Plötzlich schlägt ein tiefes Gebrumme an unser Ohr. Es ist die
Rohrdommel, dieser merkwürdige Kauz, der, irgendwo im Wasser versteckt, es für seine
Pflicht hält, bei diesem eigenthümlichen Concerte den Hoboisten abzugeben. Auf einer
trockenen Stelle läßt sich eine Schaar größerer uns unbekannter Vögel nieder. Wir erfahren
von unserem Begleiter, daß es echte Steppenbewohner, nämlich die Brachvögel sind.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch