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Katastrophe, die hier die Erdkruste bis zu ihren Eingeweiden aufwühlte, anzunehmen, nnd
doch ist es in Wirklichkeit nur die unscheinbar waltende erodirende Kraft des fließenden
Wassers, die im Lanfe der Zeiten diese großartige Erscheinung zu Stande bringt.
Weiter gegen Süden wandernd gelangen wir in circa zwei Stunden in den reizend
gelegenen Markt Jazkowiec. Er befindet sich am Olchowiecbache, einem Nebenzuslnsse
der Strypa, der wieder die Tendenz des geradlinigen südlichen Lanfes der podolischen
Flüsse in auffallender Weise zeigt. An seinem steilen Ufer erhebt sich malerisch die Ruine
des einst mächtigen Schlosses, das im XV. Jahrhundert erbaut, durch lange Zeit eine
wichtige Rolle in der Geschichte der Kriege mit den Türken, Tataren und Kozaken spielte.
Bemerkenswerth ist auch der in der Nähe befindliche Palast, der, vom Vater des letzten
polnischen Königs erbaut, jetzt in seinen Mauern das Mädchenerziehnngs-Jnstitut unter
der Leitung der Ursnlinerinnen beherbergt.
Auf der Oberfläche des Plateau's fällt uns eine Erscheinung auf, die für das
landschaftliche Aussehen sowohl dieser Gegend, als auch — und zwar in noch stärkerem
Maße— des weiter südöstlich am rechten Dniesternfer gelegenen Gebietes sehr charakteristisch
ist. Es sind das zahlreiche, sehr regelmäßige, trichterförmige Einsenknngen mit sehr steilen
Wänden, die die cultivirten Felder unterbrechen. Solche Trichter, deren größter Durch-
messer einige 20, manchmal gar über 50 Meter und dereu Tiefe 5 bis 30 Meter beträgt,
haben ihre Ursache in dem geologischen Baue des Terrains. Unmittelbar unter dem Löß
befinden sich hier die Schichten der Miocänsormation, die zahlreiche Gypsstöcke sichren.
Da der Gyps im Wasser leicht löslich ist, so geschieht es, daß gar mancher von diesen
Gypsstöcken durch das Regenwasser ausgewaschen wird. Es entsteht nun ein Hohlraum, in
den der Löß und die Humusdecke trichterförmig einsinken. Für den Landmann ist diese
Erscheinung nichts weniger als angenehm, da solche Trichter, wie nicht anders zu
erwarten ist, für die Bodencultur verloren gehen. Auch die in diesem Theile von Podolien
häufigen Gypshöhleu, von denen die größte bei Bilcze am Serethflnfse aus vielen Kilo-
meter langen Gängen besteht, verdanken ihre Existenz derselben Entstehungsweise; sie
spielten in vergangenen Jahrhunderten eine große Rolle, da sie der Landbevölkerung
während der so oft sich wiederholenden Einfälle der Barbaren als Schlupfwinkel dienten.
Wir passiren die Ortschaft Beremiany, noch einige Schritte — und ein Ausruf der
Bewunderung und Überraschung entschlüpft unseren Lippen! Wir stehen am Rande eines
felsigen, über 100 Meter tiefen Abgrundes, in dem weit unter unseren Füßen der
majestätische Dniesterstrom seine grünlichen Fluten nach dem Schwarzen Meere führt.
Mit einem Blick überschauen wir einen großen Theil seines mächtigen Thales, das bald
canonförmig ist, bald aber — und zwar an den Krümmungen — am convexen Ufer
hohe steile Wände, am concaven hingegen anfangs flache, weiter aber landwärts sich
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch