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Es liegt da förmlich eine Reliefkarte vvr uns ausgebreitet, deren Einzelnheiten wir
mit einem Blick überschauen. Die Oro- und Hydrographie der Ostkarpathen ist sehr einfach.
Wir haben da parallele, zusammengeschobene, nordwest-siidöstlich streichende Bergzüge, von
denen der höchste an der ungarischen Grenze, der zweithöchste aber unmittelbar in der
Nähe der Vorberge sich befindet, während die dazwischen liegenden Ketten bedeutend
niedriger sind, eine Erscheinung, die, wie wir bald sehen werden, in dem geologischen Bau
der Gegend ihren Grund hat.
Bom 40° 30' Längengrade (östlich von Ferro) gehört dieser Theil des Gebirges
dem Dniester-Gebiet an. Sowohl der Hauptstrom als auch seine wichtigeren Nebenflüsse,
wie Strwiyz, Stryj mit dem Opor, «swica, Lomnica, die Goldene und die Schwarze
Bystrzyca, fließen hauptsächlich in tektonischen Querthälern, wahrend die Längsthäler durch
zahllose kleine Bäche entwässert werden. Steile Böschungen sind da selten, senkrechte Wände
findet man nur an den Wasserrissen und den Ufern größerer Ströme, wo durch die Kraft
der Erosion der Berg unterminirt wird. Da fast Alles mit Vegetation bedeckt ist, so gehören
auch nackte Felsen zn den Seltenheiten.
Gerade von unserem Standplatz aus können wir zwei solche Felspartien, nämlich
die von Urycz und Bubniszeze durch das Fernglas unterscheiden. Sie machen den
Eindruck von Burgruinen und bilden einen auffallenden Gegensatz zn der sanft
gelöschten und bewaldeten Umgebung. Von den karpathischen Dörfern sehen wir sehr
wenig, da nur die nächsten an unseren Hauptkamm grenzenden Thäler sichtbar sind; alle
übrigen verschwinden ganz oder zum größten Theil hinter den Gebirgsketten. So macht
nnn die Gegend den Eindruck einer unbewohnten Wildniß, und die majestätische Ruhe,
die nur selten durch das Jauchzen der Hirten und das Blöken der an den fetten Almen
weidenden Heerde» unterbrochen wird, erzeugt in uns das Gefühl der Einsamkeit.
Wir kehren in das Thal des Oporflnsses, nach Synowödzko zurück.
Der ruthenische Volksstamm, der diesen Theil der Karpathen bewohnt und unter
dem Namen „Bojki" bekannt ist, hat da gar manche interessante Typen aufzuweisen. Die
Ortschaft Synowödzko verdankt ihren Ursprung den tatarischen und türkischen Kriegs-
gefangenen, die hier internirt wurden. In den Nachbardörfern wohnen die Besieger derselben,
die zum Lohn für ihre Tapferkeit vom König Ladislaus IV. sämmtlich nobilitirt
wurden. Es ist keine Seltenheit hier Dorfgemeinden zu finden, deren Insassen vom reichsten
bis zum ärmsten Bauer dem Adelsstande angehören. Die häufigen Benennungen mit dem
Beiwort „türkisch", wie z. B. „türkischer Fels" u. s. w., scheinen auf die Zeit dieser
Kriege hinzudeuten. Die heutigen Bojki in Synowödzko erinnern oft, sowohl durch
ihre Gesichtszüge als auch durch die Familiennamen und den Hang zum Handel, an
ihre tatarische Abkunft. Es sind das lauter reisende Krämer, die in ganz Galizien,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch