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Anfang des XI. Jahrhunderts in bedeutender Machtfülle dasteht. So viel scheint sicher
zn sein, daß es dem kriegerischen Geiste der Piasten, welche den benachbarten Stämmen
die Herrschaft der Polen aufgedrungen haben, sein Entstehen verdankte. Nach einem
zeitgenössischen Berichte verfügte Mieszko über eiu Gefolge, welches aus 3000 Krieger»
bestand und von dem Herzog uuterhalteu wurde. Dieses Gefolge scheint eine Eigenthüm-
lichkeit des Piastenreiches gebildet zu haben; es war wohl die Quelle der Krast, welche
die Nachbarstämme unter die Herrschaft der Polen gebracht hat und den Piasten die Mittel
gewährte, sowohl im Innern strenge zu walten, als auch uach außeu den Bestand des
jungen Reiches in den Kämpfen mit den angrenzenden Mächten zu sichern.
Ein besonderes Stammgebiet bildete das Land an der oberen Weichsel, welches
nördlich von dem Flusse Pilica umgrenzt, südlich bis an die Karpathenabhänge reichte.
Die Benennung „Chrobaten", welche diesem Stamme beigelegt wird, mag auf einem
Mißverständniß beruhen, wie jüngst behauptet wurde; jedenfalls war es ein besonderer
technischer Stamm, und zwar von einer scharf ausgeprägten Individualität, welcher dieses
Gebiet bewohnte. Krakau war dessen Hauptort. An Krakau knüpft sich ein Sagenkreis,
der ilus nur durch unlautere Überlieferung übermittelt wurde. Für die Geschichte ist
kaum etwas aus jenen Sagen zu retten. Dem tapferen Krakns, welcher den Schrecken des
Landes, den in einer Höhle des Wawelberges verborgenen Drachen tödtet, und der jung-
fräulichen Königin Wanda, die in den Finthen der Weichsel ihren Tod findet, um sich
der zudringlichen Bewerbuug eines deutschen Fürsten zn erwehren, sind zwei Grabhügel
gewidmet, die sich noch heutzutage als altehrwürdige Zeugen der heidnischen Vorzeit in
der Nähe von Krakau erheben.
Die Zustände der lechitischeu Stämme vor der Vereinigung derselben unter der
Piastenherrschast sind völlig in Dunkel gehüllt. Höchst wahrscheinlich waren einzelne
Stämme in eine Anzahl kleinerer Verbände gegliedert, die keiner einheitlichen, das
ganze Stammgebiet umfassenden Gewalt unterstanden. Näher sind uns die Verhältnisse der
zwischen der Oder und der Elbe ansässigen Westlechiten bekannt, wo wir einer Reihe von
Gaufürsten begegnen, die sich nur zeitweise, im Augenblick der Gefahr, unter der
Obergewalt eines Stammesfürsten aneinanderreihen. So scheint es auch im Osteu,
in den Weichselgegenden, vor der festen Begründung der Piastenherrschast gewesen zn
sein. In den späteren Überlieferungen werden innerhalb des Krakauer Gebietes einzelne
Burgen genannt, wie Dyniee und Wisliea, vou denen aus in der Vorzeit die alten Gan-
sürsten ihre Herrschaft über die Umgegend ausgeübt haben. Von einem solchen Dynasten
des Weichsellandes wird zur Zeit des großmährischen Reiches berichtet, daß er von
Svatoplnk genöthigt wurde, sich unter dessen Herrschaft zu beugen und das Christenthum
anzuuehmen. In der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts war das Krakauer Gebiet
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch