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jedenfalls mit dem Piastenreiche noch nicht verbunden. Einer zeitgenössischen Quelle
verdanken wir die sichere Knnde, daß Krakan neben Prag zu den Hauptorten des böhmische»
Herzogthums gezählt wurde. Es war die Zeit, in der die beiden emporstrebenden
Geschlechter der Piasten und Premysliden die benachbarten Stämme unter ihre Botmäßigkeit
zn bringen suchten. Sie hielten freundschaftlich zn einander, so lange sich die Eroberungs-
kreise der Fürsteuhäuser noch uicht berührten. Der Piaste Mieszko war mit Dnbravka, der
Tochter des Böhmenherzogs Boleslav des Gransamen, welcher der entscheidende Einflnß
ans seine Bekehrung zum Christenthum zugeschrieben wird, verheiratet. Schwiegersohn
und Schwiegervater waren enge verbunden, sie unterstützten gemeinschaftlich den Baiern-
herzog Heiurich in dessen Bemühungen um die Krone nach dem Tode Ottos I. Bald
ist es aber zu einem Zusammenstoß gekommen; das zielbewußte Bestreben der Piasten,
sämmtliche Lechitenstümnie zu einem Ganzen zu vereinigen, machte den Premysliden ihre
Eroberungen streitig. Seitdem stehen sich die beiden slavischen Dynastien feindselig
gegenüber und eröffnen der Kaiserpolitik weiten Spielraum zu wirksamen Eingriffen in
ihre beiderseitigen Beziehungen, wodurch das Emporkommen der einen Macht dnrch die
andere im Zaum gehalten wird. Gegen Ende des X. Jahrhunderts beginnen diese Kämpfe,
indem das Krakauer Gebiet den Böhmen entrissen nnd dem Piastenreiche einverleibt wird.
Im Gegensatz zu dem eigentlichen Stammgebiete der Polen an der Warthe, zu Alt-
poleu oder Großpolen, wird das neugewonnene Land an der oberen Weichsel als Neu-
polen oder Kleinpolen bezeichnet. Lange behalten die einzelnen Stammgebiete, welche von
den Piasten zu einem Reiche verbunden wurden, ihr eigenthümliches Gepräge, besonders
tritt aber der scharfe Gegensatz zwischen Großpolen und Kleinpolen hervor und bildet ein
bedeutendes Moment in der polnischen Geschichte der nächsten Jahrhunderte. Der politische
Gesichtskreis der Großpolen erstreckt sich gegen Westen und Norden, der Ostsee und den
stammverwandten Westlechiten zn, während das Interesse Kleinpolens, an die südlichen
und östlichen Grenzen gebuudeu, durch die Beziehungen zu Ungarn und dem rnthenischen
Reiche vor Allem in Anspruch genommen wird.
Der Schwerpunkt des Reiches lag unter den ersten christlichen Piasten entschieden
in Großpolen. Das Herrscherhaus fühlte sich dort heimisch, die Beziehungen zum Kaiser-
reiche und dessen Marken standen im Vordergrunde der politischen Angelegenheiten nnd
erhöhten die Bedeutung des westlichen Grenzgebietes. Dort entstanden anch die ältesten
Pflanzstätten des Christenthums, welches sich allmälig über andere Stammgebiete
verbreitete. In Posen wurde das älteste polnische Bisthum errichtet, dem Magdeburger
Erzbisthum untergeordnet. Im Jahre 1000, während der Pilgerfahrt des Kaisers Otto III.
znm Grabe des heiligen Adalbert, welcher drei Jahre zuvor den Märtyrertod erlitten
hatte, wnrde in Gnesen das Erzbisthum begründet, dessen Sprengel die nenerrichteten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch