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verband sich innig mit denen des Staates, dessen Schutz sie ihren Aufschwung
verdankten, und führte sie zu einem engen Anschlüsse an das nationale Königthum, dem
gegenüber sie noch vor kurzem eine so feindselige Stellung eingenommen hatten.
So gewann das Königreich Polen uuter der Herrschaft Kazimir des Großeu immer
mehr an innerer Kraft. Neben der Sorge um die Hebung des Wohlstandes, neben der
gewissenhaften und strengen Ansübuug der Rechtspflege war der König vorzugsweise
durch unermüdliche Thätigkeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung in Anspruch genommen.
Er war weit davon entfernt, dem Lande neue Gesetze aufzudrängen; mit größter Schonung
des bestehenden Herkommens, von dem das Rechtsbewnßtsein des Volkes durchdrungen
war, wurde die Niederschreibung des nationalen Gewohnheitsrechtes in Angriff genommen,
wobei man die bedeutendsten Unterschiede zwischen den Gewohnheiten einzelner Länder
auszugleichen und somit der festeren Einigung des Staates vorzuarbeiten suchte. Kazimir
hoffte auf eine Fortentwicklung des nationalen Gewohnheitsrechtes ans der von ihm
erschlossenen Bahn; im Zusammenhang damit stand unzweifelhaft diejenige Schöpfung
des großen Königs, welche alle seine Werke überdauerte, die im Jahre 1364 erfolgte
Errichtung der Universität Krakau, an welcher, seinen Absichten zufolge, dem Studium
des römischen und canonischen Rechtes die vornehmste Stelle eingeräumt wurde.
Eine der wichtigsten Ausgaben, welche das wiedergeborene Königthum zu lösen
hatte, bestand in dem Ausbau des Staates, mit dem bedeutende Gebiete des ehemaligen
Piastenreiches iu keiner Verbindung standen. Kazimir verzichtete darauf, die schleichen
Fürstenthümer, die bereits seit langer Zeit Polen entfremdet, mit der einzigen Ausnahme
vou Schweidnitz, die Lehenshoheit der böhmischen Krone anerkannt hatten, unter die
Botmäßigkeit Polens zu bringen. Dagegen gelang es ihm, Mazowien durch Einführung
des Lehensverhältnisses dauernd mit dem Königreich zu verbinden. Es war die Frucht
einer besonnenen, jahrelang mit Umsicht geführten Politik, durch welche er Kaiser Karl IV.
die Ansprüche der böhmischen Krone auf die Lehenshoheit über Ptock aufzugeben und die
mazowischen Piasten zum festen Anschlüsse an Polen bewog. Im Jahre 1355, nachdem
die mazowischen Fürstenthümer zu einem Ganzen wieder vereinigt worden waren, empfing
Ziemowit III. sein Herzogthnm von der Krone Polen zu Lehen.
Durch die Erwerbungen im Osten und das kräftige Walten des weisen Königs im
Innern war Polen zu einer bedentenden Macht emporgestiegen. Kazimir wußte sein Ansehen
den Nachbarmächten gegenüber zu bethätigen, indem er an den gegenseitigen Beziehungen
der Luxemburger, der Habsburger und der verwandten Anjons keinen geringen Antheil
nahm. Dadurch wurde Polen aus der bisherigen Absonderung herausgerissen und in
nnmittelbare Berührnng mit den internationalen Angelegenheiten Mitteleuropas gebracht.
Die Richtung der Politik Kazimir des Großen war dnrch sein enges Bündnis; mit dem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch