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dauerte das Interregnum, während dessen in Großpolen ein heftiger Bürgerkrieg
entbrannte; erst im October 1384 kam die junge, vierzehnjährige Königin nach Polen.
Die Verlobung Hedwigs mit Wilhelm von Österreich verlor ihre ganze politische Bedeutung,
seitdem ihr anstatt Ungarns die Herrschaft über Polen beschieden war. Eine starke Partei,
welche während des Bürgerkrieges den Piasten Ziemowit, Herzog von Mazowien, auf den
Thron zu erheben suchte, war bestrebt, durch dessen Vermählung mit Hedwig dem ange-
stammten Herrscherhause wieder die Krone zuzuwenden. In den Kreisen der kleinpolnischen
Magnaten ist dagegen der kühne Gedanke aufgekommen, die junge Königin an den Groß-
fürsten von Littauen, Jagieko, zu verheiraten. Littauen war noch ein heidnisches Land
und auch dessen Gebieter ein Heide. Der größte Theil des littauischen Reiches bestand
jedoch in rnthenischen Ländern. Sie wurden von Brüdern und Vettern des Großfürsten
verwaltet, von Fürsten aus dem Geschlecht Gedymins, die sämmtlich der rutheuischen
Kirche angehörten. Die ganze Dynastie stand unter einem starken Einflüsse des rnthenischen
Elements; Jagiello selbst scheint im Begriff gewesen zu sein, die Taufe in der rutheuischen
Kirche zu empfangen und „den rutheuischen Glauben", wie man sich in jener Zeit
auszudrücken pflegte, in Littauen einzuführen. Da erhielt er von Krakau aus die Einladung,
um die Hand der schönen Königin von Polen zu werben, wobei selbstverständlich die
Annahme des katholischen Glaubens als die erste Vorbedingung betrachtet wurde.
Die Krakauer Herren waren zu jenem Achritte besonders durch die Rücksicht auf das
rothrutheuifche Gebiet bestimmt. Seit dem Tode König Ludwigs war dieses Land für
Polen verloren; das Haliezer Gebiet wurde von Ungarn im Namen der Königin Maria
verwaltet, während die wolhynischen Distriete den Littanern freigegeben waren. Es gab
nur ein Mittel, nicht nur die rutheuischen Länder, die von Kazimir erworben waren, wieder-
zugewinnen, sondern zugleich im Sinne der Bestrebungen des großen Königs die Grenzen
Polens weit nach Osten, über Podolien hinaus, gegen Kiew und den Dnjeprstrom zu
erweitern, und dieses Mittel bestand in der Berufung des Herrschers von Littauen auf
den polnischen Thron.
Es war ein großartiger Gedanke, an dem wir wohl die politische Schule Kazimir
des Großen zu erkennen berechtigt sind. Über die Gefühle der jugendlichen Königin, welche
ihrem ritterlichen Bräutigam treu geblieben war, setzte sich die kalte, politische Berechnung
rücksichtslos hinweg. Wilhelm, der bereits nach Krakau gekommen war, wurde genöthigt,
zu weichen; nach langem Seelenkampfe entschloß sich Hedwig, dem Wohle ihres Volkes, der
Sache des Christenthums ihr eigenes Glück zum Opfer zu bringen. Am 15. Februar 1386
empfing Jagiello im Krakauer Dom die Taufe; zum König von Polen gekrönt, brachte er
alle die weiten Gebiete seines Reiches, die littauischen und die rnthenischen unter die
Herrschaft der polnischen Krone.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch