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lithauischen Staates, Wotyn, Kiew, Braelaw und Podlasie, gingen hiebet selbständig vor
und schlössen sich unmittelbar der polnischen Krone an, indem sie sich mir jene Autonomie
wahrten, welche ohnehin einer jeden Wojwodschast in Polen zukam. Schließlich gaben anch
die lithauischen Magnaten unter dem Drängen des Adels nach und beschworen eine Union
mit Polen, laut welcher Polen und Lithauen einen gemeinsamen König und einen gemein-
samen Reichstag haben, in Bezug auf Hofämter, Heer-, Finanz- nnd Gerichtswesen aber
besondere Staaten bilden sollten.
Die dritte Frage des politischen Programmes wurde wieder nicht gelöst. Die
verschenkten und verpfändeten Krongüter wurden eiugezogeu und in zwei Kategorien
getheilt: in Tafelgüter, welche nur zum Unterhalte des königlichen Hofes dienen, und in
eigentliche Krongüter, welche vom Könige einzelnen Edelleuten in lebenslängliche Pacht
überlassen werden sollen und zwar so, daß ein Theil des Pachtschillings, die sogenannte
Qnarta, znr Erhaltung einer, wenn anch kleinen, doch ständigen Landeswehr an der südlichen
Grenze gegen die Einfälle der Tataren bestimmt wurde.
Weiter gingen aber die inneren Reformen nicht. Die Bemühungen der Landboten,
eine Exekutivgewalt in den einzelnen Wojwodschasten nnd Bezirken zu schaffen, scheiterten
an dem Widerstande des Senates und au dem geringen Verständnis, welches der König
dieser Frage entgegenbrachte. Die Codifieirnng des bestehenden Rechtes nnd die Reform
des Gerichtswesens kam nicht zustande, und das ganze Reich bot auch ein Bild der höchsten
Unordnung, weil sich die Processe ins Unendliche zogen und die mühsam erlangten
Erkenntnisse der Gerichte dem Stärkeren gegenüber nnr selten vollzogen werden konnten.
Dagegen gelang es dem Adel, sein zeitweiliges Bündnis; mit Sigismund August zur
Befriedigung seiner wirthschaftlichen Classeninteressen auszunützen. Seitdem die Bauern
hörig geworden waren, sah der Adel nur noch einen Mitbewerber und vermeintlichen
Gegner auf dem wirthschaftlichen Gebiete. Es waren dies die Städte . Seit dem
XIII. Jahrhunderte hatten sich diese nnanfhörlich entwickelt. Bis in die Zeit König Sigis-
munds, iu welche der Höhepunkt ihres Aufschwunges fällt, behielten sie ihren deutschen
Charakter, nnd erst im XVI. Jahrhunderte begann ihre Polonifirung uuter dein Einflüsse der
aufblühenden polnischen humauistischeu Literatur. Das in Innungen organisirte Gewerbe
erfreute sich einer starken Entwicklung und befriedigte alle Bedürfnisse des Landes, im
Kunstgewerbe wetteiferten sie mit den Städten des Westens, der ganze Zwischenhandel
zwischen Orient nnd Westen lag in ihren Händen und bildete die Quelle des Reichthums
einzelner Patricierfamilieu, welche einen regen Verkehr nüt dem Auslande unterhielten.
Dem polnischen Volke aber stand das deutsche Bürgerthum iu diesen Städten fremd
gegenüber. In den Anfänge» des polnischen Parlamentarismus zu Eude des XV. Jahr-
hunderts sahen die Städte für sich und für ihre Autonomie eine Gefahr, nnd trotzdem sie
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch