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lustig unterhalten. Der Verdienst der Flößer ist indessen nicht gleich. Anders wird der
gemeine Bootsknecht (Orz,-I) entlohnt, anders der Lootse (l ietmnn), jener erfahrene
Bootsman, welcher, selbst auf einem Kahn fahrend, in einer bedeutenden Entfernung eine
ganze Reihe von Tratwen oder Galeeren führt und ihnen den gefahrlosen Weg zeigt. Von
seiner Reise bringt der Flößer außer den Rnbeln gewöhnlich Stiefel von weithinberühniter
Vortrefflichkeit aus dem Königreich Polen und einer Verwandten oder seiner Liebsten
Bernsteingeschmeide aus Dauzig. Auch zu erzählen gibt es genng.
Die Landwirthe oder Hauswirthe beschäftigen sich mit dem Bebanen der Felder
und der Sorge um das Inventar. Zu diesem gehören: Hornvieh, Pferde, Schafe nud
Federvieh. Das Hornvieh, ein durchaus einheimischer Typus, ist in der Ebene Gegenstand
ganz besonderer Sorgfalt, dann auch das Borstenvieh, als eine wichtige Unterlage der
Wirthschaft und des Unterhaltes; aber eine ganz besondere Vorliebe hegt jeder Pole
für das Pferd, dessen einheimische Raee der Landmann durch Pflege zu vervollkommnen
trachtet. Mit Pferden bearbeitet er sein Feld, springt er auch bei anderen in Arbeit ein,
auch fährt er gern auf den Jahrmarkt oder an Feiertagen in die ferner gelegene Kirche,
wenn keine im Ort ist. In solchem Falle gibt es auch keine Hochzeit und keine Kindstaufe
ohne Pferde und da liebt es der polnische Bauer, sei es mit dem Wagen, sei's auf dem
Schlitten fahrend, zu zeigen, was für schnelle Pferde er hat und wie er zu fahren versteht.
Die Goralen im Tatragebirge beschästigen sich mit besonderer Vorliebe mit der
Schafzucht. Ihre Schafe weiden mit dem Hornvieh während der kurzen Sommerszeit auf
den hochgelegenen Weideplätzen des Berglandes, welche sie Halen nennen. Im Herbste
aber, namentlich vom halben August angefangen, weiden sie auf den tiefer gelegenen
abgemähten Wiesen. Die Schäferei auf den Halen hat ihren ganz eigenartigen Charakter
und Reiz. Sogar Dörfer, welche drei und vier Meilen entfernt sind, haben ihre Halas
im Tatragebirge. Wenn nun die Zeit des Austriebs des Viehs, das heißt der Kühe und
Schafe, herannaht, wühlen sie einen Gazda (Hauswirth), welcher das allgemeine
Vertrauen besitzt und ihm übergeben sie die Herde. Ein solcher Oberschäfer wird Bäe
genannt, was wohl aus dem ungarischen Worte Bäcs , Schafhirte, stammt. Der Bäe
trifft mit den Besitzern der Polanen, das heißt der in den Bergeshöhen gelegenen
offenen Weideplätze, sein Übereinkommen und wählt sich Gehilsen, sogenannte J n h ä s
ans. (Jnhäs ist ungarisch und heißt Schäferknecht.)
An dem bestimmten Tage, wie ein Augenzeuge erzählt, treiben alle Gazdas ihre
Herden auf einen Platz, zählen mit dem Bäe die Stücke und übergeben sie seiner
Verantwortung. Der Bäe besprengt die ganze Herde (kierckel, vom deutschen Herde)
mit Weihwasser, macht mit seiner (axtsörmiger Stock) ein Kreuz auf den Weg
und es beginnt der Aufstieg unter dem Brüllen des Hornviehs, dem Blöken der Schafe,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch