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Gniazdo nannte er die Stadt Gniezno (Gnesen) und den weißen Adler wählte er zum
Wappenthier des Reiches.
Zu jener Lechitenzeit herrschte in der Gegend des heutigen Krakau der Fürst Krak
(lateinisch Krakus). Unter seiner Regierung tauchte in einer Höhle des Berges Wawel
ein Drache auf und richtete furchtbares Unheil an, indem er Menschen und Thiere verschlang.
König Krakus bezwang das Ungeheuer, dessen Höhle man noch heute den Besuchern des
Wawel zeigt. Sodann baute sich Krakus auf dem Wawel ein Schloß und um das Schloß
eine Stadt, die er, nach seinem Namen, Krakow (Krakau) nannte. Er zeichnete sich auch
durch kühne Kriegsthaten aus, so daß er nach seinem Tode vom ganzen Volk mit großen
Ehren zu Grabe getragen und ihm auf seinem Grabe bei Krakau im Vororte Krzemionki ein
hoher Hügel aufgerichtet wurde, welcher noch heute unter dem Namen Grabhügel des
Krakus besteht.
Da Krakus keinen männlichen Leibeserben hinterließ, so ergriff nach seinem Tode
Wanda die Zügel der Regierung, welche Fürstin durch Schönheit und Geist weithin
berühmt war. Daher strebte ein deutscher Fürst, namens Rüdiger nach ihrer Hand; allein
Wanda wollte sie ihm nicht reichen, da sie fürchtete, es könnte ihr Volk dadurch unter fremde
Herrschaft gelangen. Der beleidigte Fürst beschloß durch Gewalt zu erreichen, was er anstrebte
und erklärte ihr den Krieg. Wanda erschrak keineswegs, sondern erschien an der Spitze ihrer
Kriegsscharen auf dem Schlachtfelde; der Kampf war sehr erbittert, endlich aber wurden
die deutschen Kriegsrotten besiegt und stoben auseinander. Rüdiger aber stürzte sich in
sein eigenes Schwert und endete so sein Leben. Aber auch Wanda wollte durch ihre Person
das Vaterland keiner Gefahr mehr aussetzen. Nachdem sie den Göttern geopfert hatte, sprang
sie in die Weichsel und fand ihren Tod in den Finthen. Das ganze Volk beweinte ihren
Verlust und ehrte sie, wie ihren Vater, durch die Errichtung eines hohen Grabhügels.
Dieser Hügel besteht noch heute unter ihrem Namen in der Nähe Krakaus, dort, wo man
der Sage nach ihren Leib ans dem Flusse gezogen und wo später das Dorf Mogi ta
(Grabhügel) entstand, das eben von Wandas Grabhügel seinen Namen trägt. Nach
Wandas Tode kam die Herrschaft des Gebietes von Krakau an zwölf Wojewoden, bis
dieselbe endlich an die Polanen überging.
Nach König Lech hatten die Polanen mehrere Herrscher gehabt, unter anderen
Popiel II., welcher höchst grausam war. Dieser lud einmal seine Vettern zu einem
Gastmahle ein und vergiftete sie auf Zureden seiner Gemahlin. Ihre Leiber aber ließ
er in den Goplosee werfen, da sein Königsschloß sich auf einer Insel dieses Sees
befand. Aus den Leibern der Vettern krochen jedoch eine solche Menge von Mäusen, daß
sie sein Schloß überflntheten und den mordgierigen König auffraßen. Von dem Schlosse
Popiels blieb nur der Thurm zurück, welcher noch heute der Mäusethurm genannt wird.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch