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und kommt zur Nacht wieder; er haucht niemandem gewaltsam in den Mund, nm
ihn zu tödten. Wie soll man ihn da nicht aufnehmen, nicht mit ihm verkehren? Und den-
noch; obgleich er niemandem gewaltsam in den Mund haucht, obgleich er bei der Arbeit
behilflich ist, so ist seine Nähe doch sehr, ja äußerst schädlich. Das bloße Einathmen der
gleichen Luft, die er athmet, wirkt schon tödtlich. Jene, welche mit ihm verkehren,
erbleichen, wie wenn das Blut allmälig aus ihnen flöße und magern ab. Am besten ist es
also, mit den Vampyren niemals etwas zu thun zu haben. Da es nun verschiedene
Arten von Vampyren gibt, so gibt es auch verschiedene Arten, sich ihrer zu entledigen.
Damit er niemals aus dem Grabe steige, muß man durchaus dieses Grab ausfindig
machen. Dazu gibt es verschiedene Mittel. Man muß dem Vampyr einen Faden in die
Kleider nähen. Sowie der Hahn kräht, kehrt er zu seinem Grabe zurück und man braucht
nur dem Faden zu folgen, um das Grab zu finden. Er wird nicht mehr heraussteigen,
wenn man ihm nun ein Blättchen mit dem darauf geschriebenen Namen „Jesus" zwischen
die Zähne legt und ihn im Sarge mit dem Gesichte nach unten kehrt. Wie aber, wenn das
Blättchen herausfällt, oder die Mäuse es abnagen? Da wäre er imstande, auf's Neue
herauszusteigen und Schaden anzurichten! Darum muß man, wenn jenes nicht hilft, dem
Vampyr den Kopf abschneiden und unter den Arm legen. In jedem Falle wird der Pfarrer
am besten wissen, was mit diesem oder jenem Vampyre zn geschehen habe; man muß ihm
nur alles ganz genau erzählen.
Ehemals hatte man nur von Vampyren gehört, doch ist es sicher, daß es auch
Vampyrinnen gibt. Vor einer solchen Dame (denn von Vampyrinnen aus dem Bauern-
stande hat der Schreiber dieses nie etwas gehört) ist sogar ein Gendarm einmal zum
Feigling geworden, wie Herr Swixtek in seinem Werke „Das Volk an der Raba" berichtet.
In der Gestalt von Lichtern, welche zur Nachtzeit umher irren, büßen nngetauste
Kinder, so wie auch jene, die zu Lebzeiten jemand ein Unrecht angethan und dieses Unrecht
vor dem Tode nicht gut gemacht haben. Die ersten dieser Lichter irren solange umher,
bis sie irgend jemand tauft, die andern so viele Jahre, als es Gott ihnen vorgeschrieben
hat. Ihre Qualen können die Erben abkürzen, wenn sie den Geschädigten Genugthuung
leisten. Das zugefügte Unrecht kann verschiedener Art sein, z. B. das Bebauen fremden
Grundes, Diebstahl auf dem Felde oder im Haus, den Feldern durch Vieh bereiteter
Schaden, körperliche Verletzungen. Ein solches Büßerlicht irrt dort umher, wo der Mensch,
als er lebte, sein Unrecht beging. Er klagt und ruft: „Ackere den Rain ab, pflüge das Acker-
beet!" u. f. w. Die Irrlichter der uugetaufteu Kinder sind am allerlästigsten. Sie können
nicht sprechen, daher bedrängen sie den Menschen überall, damit er errathe, daß sie nach
der Taufe verlangen. Zu fürchten ist ein solches Lichtchen durchaus nicht, es handelt sich
mir darum, die Taufe zu vollziehen. Man spricht: „Ich taufe Dich im Namen des Vaters,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch