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welcher zur Nachtwache ausersehen war, eine „ungeheure Braudröthe" am Horizont
erblickt, die anderen weckt und sie aufstehen heißt, und wie nun diese im größten Schrecken
von ihrem Lager aufspringen und ein wunderbares Spielen und Singen vernehmen.
Das ist das Zeichen, welches ihnen die Engel von der Geburt Christi geben, indem sie
dieselben zugleich auffordern, nach Bethlehem zu eilen, um ihn zu begrüßen. Sie begreifen
das nicht, denn sie haben bisher nichts von Christus gehört; allein der Älteste von
ihnen erklärt ihnen dieses große Ereigniß und so machen sie sich denn mit Opfergaben,
Kolenden spielend und singend, auf den Weg. Der zweite Theil stellt die Hirten vor dem
Ställchen des Christkindes dar. Hier legen sie in tiefster Demuth ihre Gaben nieder und
singen llnd spielen dabei Kolenden; doch gibt es auch Texte, worin noch keine Kolenden
vorkommen. Die Hirten, welche sich nach Bethlehem begeben, bitten hier nur den
Weisesten unter ihnen, er möge ihr „Oruloi -, ihr Redesiihrer, sein. In Bethlehem wird
also anstatt der Kolenden eine Anrede in Prosa gesprochen, welche sie im Chore nach dem
Anführer wiederholen. Diese Stücke sind durchaus volksthümlich; die Namen der
Personen, ihre Spenden, die Art ihres Ausdrucks und ihres Verhaltens, alles ist durchaus
polnisch. Aus den Schulen und Klöstern dringt die Sache nnter das Volk und wird noch
charakteristischer durch die Einführnng neuer Figuren, wie: des Krakowiaken, des Maznren,
des Goralen, des Lithauers, Rutheuen, Juden und Zigeuners; kurz, es ist hier ganz
Polen ethnographisch dargestellt.
Mit der Zeit wnrde zu den zwei obenerwähnten Theilen des Stückes ein dritter
gefügt, welcher den König Herodes vorführt, später aber erweitert anch als selbständiges
Stück aufgeführt wurde. Herodes und die drei Könige, welche bei ihm erscheinen, geben
Anlaß znm Austreten von Ministern, von Militär, eines Rabbiners, des Todes, des
Teufels, eiuer Hexe :c. Der Verlauf des Stückes ist gewöhnlich folgender: Herodes,
durch verschiedene Berichte beunruhigt, will in Erfahrung bringen, wo Christus geboren
worden nnd sendet seine Höflinge nach einem fchriftknndigen Rabbiner aus. Der herbei-
geführte Rabbiner verweigert die Aussage, allein durch Gewaltmittel gezwungen nennt er
Bethlehem als den Geburtsort Jesu. Gleichsam als eine Bekräftigung der Worte des
Rabbiners kommen die drei Könige an. Herodes ordnet den Kindermord an, allein, kanm
haben die Höflinge ihm die Kunde gebracht, daß seine Befehle vollzogen sind, als ein
Engel erscheint, welcher ihm verkündet, daß seiner ein trauriges Ende harre. Es tancht
nun auch ein schrecklicher Zug mit dem Tode, dem Teufel uud der ihm ergebenen Hexe auf.
Herodes möchte sich der Gefahr irgendwie entziehen; er verspricht dem Tod Erhöhung,
den Purpur, endlich den Thron, aber alles vergebens. Da flüstert der Teufel dem Herodes
zu: „Du Dummkopf, soll dich der Tod aus dieser Welt wegraffen, entleibe dich lieber
selbst!" Der Teufel siegt offenbar, denn er hüpft vor Freude und singt:
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch