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svnst noch heißen mögen. Der Obertas ist, wie dies Kenner schon lange bemerkt haben,
nichts anderes als ein in hüpfendem Tempo getanzter Maznr, ebenso der „kleine Tanz"
und der Ränbertanz. Letzterer ist ausschließliches Eigenthum der Goralen des Tatra-
gebietes, der „kleine" hingegen, wiewohl er bei ihnen anch sehr beliebt ist, auch anderswo
bekannt.
Es besteht natürlich ein großer Unterschied zwischen der Art nnd Weise, wie ein
nnd derselbe Tanz von den gebildeten Classen und jener, wie er von der ländlichen
Bevölkerung ausgeführt wird; allein das Grundprincip bleibt hier und dort das gleiche.
Beim Volke stellt man sich immer im Kreis zum Tanze und tanzt anch im Kreise, wobei
der Tänzer des ersten Paares Anführer ist. Dies ist durchaus nothwendig, da eigentlich jeder
Tanz beim Volke fast nur eiue Figur hat, es also nicht nöthig ist, einen Figurenwechsel
anzusagen; dafür aber wird hier der Reihe nach innerhalb einer Tanzpartie mehrmals
herumgetanzt; bei jedem Wechsel des Tanzes aber muß einer der Tänzer der immer nur
nach dem Gehör spielenden Musik durch Gesang die gewünschte Melodie angeben. Wenn
der Anführer schon bei mehr als einer Hochzeitsfeier gewesen und „Brod aus mehr als
einem Ofen gegessen hat", so hält er gewöhnlich in einer Tanzpartie folgende Ordnung
der Tänze ein: Polonaise, Maznr, Obertas, Krakowiak.
„Ich kenne keinen Tanz", sagt ein französischer Schriftsteller, welcher um das
Jahr 1645 in Polen weilte, „der Liebenswürdigkeit, Würde und Anmuth so sehr in sich
vereinte, wie die Polonaise. Es ist dies der einzige Tanz, welcher den ehrwürdigsten
Personen und den Monarchen, sowie der ritterlichen Tracht wohl ansteht. Der Charakter
dieses Tanzes hat seine Poesie nnd seine nationale Eigenartigkeit, deren Hauptmerkmal
eine feierliche Würde ist. Er drückt nicht Leidenschaft aus, sondern tritt ans als ein
feierlicher Festzug." So ist die Polonaise bis heute geblieben und dieselbe Würde
kennzeichnet sie auch bei dem Landvolke, das sie, wenn auch mit geringerer Kunstfertigkeit
tanzt. Dieser Tauz geräth leider bei dem Laudvolke in Vergessenheit, so zwar, daß, wo er
nicht einen fest vorgezeichneten Platz in einer Hochzeitsceremonie einnimmt, wie etwa bei
den Lafowiaken, man ihn nicht einmal dem Namen nach kennt und er zn einem fast
gedankenlosen Herumgehen zwischen zwei Tänzen oder vor Anfang des Tanzens herabsinkt.
„Im Maznr", sagt ein Kenner, „treffen alle Grundelemente des Tanzes
zusammen. Es ist vieles vom kriegerischen Element darin. Sein Schritt allein stellt uns
sehr nachdrücklich gleichsam einen sich ans seinem Pferde herumtummelnden Reiter vor;
das Stampfen mit dem Fuße — das ist das Stampfen des ungeduldigen Renners,
der Hotnbiec (das Umsichselbstdrehen des Tänzers oder Paares mit dem lauten
Aneinanderschlagen der Absätze) — das ist der dem Pferde gegebene Sporenstreich; der
lebhafte mehr springende als gleitende Schritt des Tänzers — stellt bald den Galopp,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch