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Nun wird die Braut im festlichen Anzug mit zwei Brautjungfern ins Dorf geschickt,
wo sie jedes Haus betritt und um Segen angeht, ältere oder angesehene Personen nach
dreimaligen? Fußfall; anderen küßt sie die Hand, die Unverheirateten dagegen ins Gesicht.
Während dieses Rundganges singen die Brautjungfern entsprechende Lieder. Der Bräutigam
geht ebenfalls mit seinen Brautführern herum, um Gäste einzuladen.
Nach beendetem Rundgang im Dorfe kehrt der Bräutigam nach Hause zurück uud
schickt seine Brautführer zur Braut mit Hochzeitsgeschenken, bestehend aus einem etwa drei
Meter langen Stück feiner Leinwand (rantüek), einem rothen Kopftuch uud einem mit
farbiger Seide, Stickwolle und Basilienkraut geschmückten Kolatschen. Dafür bringen sie
dem Bräutigam ein von der Braut für denselben gesticktes Hemd und einen ähnlichen
Kolatschen. Nach gegenseitiger Austheilung von Hochzeitsgeschenken, welche Ceremonie
ckarüvvanie heißt und von gegenseitigem Segen und Gesang begleitet wird, wird die
Braut in ihrem Hause und der Bräutigam in dem seinigen feierlich hinter dem Speisetisch
auf den posack (auch posäk), d. i. auf einen mit nach auswärts gekehrtem Pelz überdeckten
Sitz gesetzt, wobei verschiedene Lieder über das künftige Los, über die Liebe der Eltern
und Verwandten und über den tcorovväj gefnngen werden:
Man kennt Mariechen,
Die schöne Waise,
Die ihr Heiratsgut sorglich hegt,
Indeß ihr Kränzchen,
Wohl ganz aus Veilchen,
Mit dichtem Staube sich belegt.
Ach, ihr Bäterlein
Weilt schon lange beim lieben Gott!
Es brennt seine Seele wie ein Flämmchen roth,
Und betet zum Himmel in ihrer Noth: „O, laß mich hinab, o Herrgott mein,
Mit der Wolke ins Dörfchen,
Mit dem Regen zur Erde,
Mit der Sonne zum Fenster,
Damit ich sehe
Mein Kind aus der Erde,
Auch wer ihm das Hochzeitssest macheu werde."
Wenn's die Leute ihm veranstalten,
Wird es leid thun dem Alten. (S.-St.)
Die sentimentale Stimmung wird nicht selten von humoristischen Episoden nnd
Liedern unterbrochen.
In manchen Gegenden ist es Brauch, daß der Bräutigam mit seinem ganzen Gefolge
sich selbst in das Haus seiner Braut begibt, um derselben die Hochzeitsgeschenke darzu-
bringen. Diesen Zug eröffnet der Starosta, das Hochzeitsbänmchen über feinem Haupte
haltend. Die angekommenen Gäste nehmen Platz am Tisch und die Braut verabreicht hier
ihre Hochzeitsgeschenke dem Bräutigam. Dann werden Alle bewirthet und es wird bis
spät in die Nacht getanzt.
Hie und da wird der posack bei der Braut und ebenso auch bei dem Bräutigam auf
folgende Art gefeiert: Den Ehrenplatz am Tisch nnter den Heiligenbildern (na poküli)
nehmen die Eltern nnd die Großeltern (wenn sie noch leben) ein, und jedes von ihnen hält je
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch