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Nestor erwähnt, wo die Tochter des Plocker Fürsten, Rogneda, sich dagegen sträubt, dem
Sohne einer Sklavin, Wladimir, die Schuhe auszuziehen, d. h. ihn zu heiraten. Die junge
Frau wird dann noch mit der Peremitka umhüllt und in die Stube zurückgeführt, wo sie
die Swacheu in entsprechenden Liedern als Frau (moiock^cia) begrüßen.
Montag früh begibt sich die junge Frau in Begleitung des Brautführers und zweier
Swacheu in die Kirche zur Einsegnung (60 >v^voäu) durch den Pfarrer. Am Dienstag
machen die Eltern der Braut dem jungen Ehepaar einen Bestich, indem sie in Begleitung
des Starosten den Rest der Mitgift (prxckane) in der Truhe mitbringen. Schmaus und
Sang schließen in der Regel die Hochzeitsfeierlichkeiten.
Ist eines vom Brautpaar Witwer oder Witwe, dann wird das Hochzeitsfest mit
geringerem Aufwand gefeiert, zumal wenn beide dem Witwenstand angehören. Ist eines
der Brautleute Waise, dann übernehmen die nächsten Verwandten die Rolle der Eltern.
Auch die Bräuche, welche sich an den Todesfall knüpfen, sind interessant, obwohl
schon manches von dem Althergebrachten im Verlöschen begriffen oder in Vergessenheit
gerathen ist.
Den Tod (smerk) persvnifizirt das rntheuische Volk als ein altes Weib von
ungewöhnlicher Schnelligkeit, in weißem Gewände mit einer Sense, mit welcher sie dem
Leben des Menschen ein Ende macht. Die Pest, Cholera und dergleichen epidemische
Krankheiten personisizirt das ruthenische Volk als ein altes Weib mit Schaufel und
Kehrbesen. Das Volk glaubt, daß die Seele des Verstorbenen, gleich einem Vogel dem
Körper entflogen, auf ein an der Wand hängendes Bild sich setze und noch in der Nacht
nach dem Begräbniß in die Wohnstube komme. Daher stellt man an das Fenster einen
Becher voll Trinkwasser und einen Brodranft, damit die Seele, wenn sie das Haus
verläßt, auf die weite Reise sich daran labe und sättige. Dem Verstorbenen gibt man
außer Weißwäsche selten eine andere Kleidung ins Grab, nur der Kops wird immer dem
Alter und Stande gemäß bedeckt. Den Männern gibt man eine Pelzmütze und den Hochzeits-
gürtel (Junggesellen mit einem Sinngrünkranze geschmückt), den Frauen den üblichen
Kopfputz (peremitka), den Mädchen einen Sinngrünkranz. Mädchen kleidet man überhaupt
in einen Hochzeitsanzug.
Besonders ergreifend ist das Begräbniß eines verlobten Mädchens, welches ganz
wie zur Trauung gekleidet wird. Frauen und Mädchen legt man, obwohl selten, gelblederne
Stiefel an, Männern werden die Füße gewöhnlich in Leinwand eingewickelt, damit sie nicht
barfüßig zum jüngsten Gericht erscheinen. In den Sarg wird den Frauen,
Mädchen und Junggesellen ein Taschentuch zur rechten Hand gelegt; in ein Ende
desselben werden in der Regel zwei Kreuzer eiugebuudeu, den Männern dagegen in die
Pelzmütze genäht, ein Brauch, der an den Obolos der alten Griechen erinnert.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch