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zu dem daraus folgenden Gastinal werden nnr die Verwandten nnd die nächsten Nachbarn
geladen. Dasselbe geschieht am neunten (äewiüt^n^), am vierzigsten Tage (sorokmv^n^)
und am Jahrestage (rol^ü^v^nv).
Selbstmörder werden auf Kreuzwegen oder im Graben an einem Friedhof bestattet.
Nach dem Volksglauben irren sie als Todesgespenster (opxr) so lange Nachts herum, bis
man einen Eschenpfahl in das Grab gestoßen und auf diese Art die Leiche festgenagelt hat.
Die Seelen nngetanft verstorbener Kinder (poterc^äta) fliegen Abeuds in der Nähe des
Bestattungsortes in der Luft herum und bitten die Vorübergehenden um Taufe. Deswegen
werden dieselben an Orten bestattet, wo viele Menschen herumgehen. Wenn der Vorbei-
gehende ihre Stimme hört und in diesem Augenblick ihnen etwas nachwirft uud dabei
einen Namen ausspricht, sind sie schon getauft. Nach sieben Jahren werden sie in Erd- oder
Waldgeister (mavvk^ ssmMtkv oder i-usalk^) verwandelt.
Die bei den Jahresfesten üblichen Si t ten und Bräuche haben zwar durch
den Einfluß des Christenthums wesentliche Änderungen erfahren, doch ihr archaistisches
Gepräge nicht ganz eingebüßt. Der rnthenische Festkalender hat eine Menge von Bräuchen
und Ceremoniellen aufzuweisen, die auf bestimmte Tage des Jahres fallen und die Forschung
hat unwiderleglich nachgewiesen, daß die meisten dieser Bräuche solaren Ursprungs und
deutliche Überreste heidnischer Anschauungen sind.
Zum Schluß des alten und zu Anfang des neuen Jahres fallen die Weihnachtsfeste
(ltixävvo, rizickwiMi ^viäta, kölaäx), welche einen Festcyklus vom 24. December (alten
Styls) bis inclusive 6. Januar bilden und die eigentlichen Weihnachten, das Neujahr und
das Fest der Erscheinung (Taufe Christi) umfassen. Die hauptsächlichsten Bräuche beziehen
sich auf die Vorabende (heiliger Abend sxviatA vvee?er) dieser Feste und erinnern an die
zur Zeit der Wintersonnenwende fallende Feier des Aufgehens, des Geburtstages der
neuen unbesiegten Sonne, welche dann im christlichen Kalender durch die Feier des Jahres-
tages der Geburt Christi ersetzt wurde.
Der Vorabend der Weihnachten heißt „pers^ ' (der erste heilige
Abend) oder bokäta kuhä, weil unter den zahlreichen Gerichten das Weihnachtsgericht
aus gekochtem, mit geriebenem Mohn und Honig eingemachtem Weizen (kuhki) die Haupt-
rolle spielt. An diesem Tage wird strenge gefastet. Nach Sonnenuntergang bringt der
Hauswirth in die Wohnstube Streu, womit der Fußboden bestreut wird, ein Bündel Heu
und eine Garbe Weizen oder Korn und stellt dieselbe mit den Ähren nach oben gewendet
auf die Bank in die Ecke der mit Heiligenbildern geschmückten Wand (na pvkühi), während
das Heu mit einigen Zehen Knoblauch zum Schutze gegen Krankheiten unter das Tischtuch
gebreitet wird. Streu (äiäücli) und Weizengarbe (click genannt) erinnern an den von
den heidnischen Nnthenen ehemals angebeteten Donnergott (k'vrun), der in den betreffenden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch