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Kunstzweigen zum Ausdruck zu bringen verstanden. Während die 1756 gegründete Kutyer
Kirche gleich den anderen armenischen Pfarrkirchen, wie z. B. in Työmienica (1759 bis
1791), iZniatyn (1718), Horodenka (1706), Stanislau (1748 bis 1772), Lysiec (1785),
den übrigen polnischen kleinstädtischen in mattem und verflachtem Barockstil gehaltenen
Kirchen an öder Langeweile nicht nachsteht, besitzen wir an der Lemberger erzbischöflichen
Kathedrale ein zwar bescheidenes, aber interessantes Denkmal byzantinisch-armenischen Stils.
Der nach Osten gerichtete ursprüngliche Bau hat drei auch außen sichtbare Apsiden;
die mittlere, halbkreisförmige (nicht Polygone, wie solche sonst bei den südwestlichen
Ausläufern der byzantinischen Kirchenbauten meist üblich) ist beinahe dreifach so breit
als die zwei schmalen und trotz der sichtbar später ausgehauenen Wände auch heute nur
16 Meter breiten Seitenapsiden. Diesen beiden nischenartigen, leerstehenden, weil zur
Aufnahme eines Altars zu engen, runden Abschlüssen entsprechen im westlichen Theile
zwei ebenso schmale, nischenartige Räume; den Querarmen zu offen, sind sie vom Westarm
durch zwei ungeschlachte Mauerpfeiler und oben durch eine ebenso starke Scheidewand
getrennt, die von einem 4 07 Meter breiten und nur 5 20 Meter hohen, also sehr stumpfen
Spitzbogen l getragen wird. Über der Vierung erhebt sich die ziemlich hohe, von vier
Rundfenstern durchbrochene, außen Polygone, inwendig kreisrunde, unten von einem
Polygonen zwölfeckigen Rahmen eingefaßte Kuppel; der Übergang ist ohne besonderes
Geschick durch vorgeschobene Ziegel hergestellt. Besonders bemerkenswerth ist, daß die
Ost- und Westarme gleich lang, die Querarme jedoch kürzer sind, daß sie somit weder ein
lateinisches noch ein griechisches, sondern das specifisch armenische Kreuz bilden.
Dies so eigenthümliche Verhältniß der Kreuzarme, die Polygone Einfassung und
Außenseite der Trommel, der nischenartige Charakter der beiden Seitenapsiden und der
ihnen entsprechenden Hinterräume, die Form der beiden stumpfen Spitzbogen, alle diese
Motive vereint bewirken, daß wir hier durch die allgemeinen spätbyzantinischen Grund-
formen den speciellen armenischen Dialect hindurchhören. Unser Bau weist mit der Kirche in
Arkuri auf dem Berge Ararat unverkennbare Analogien anf^, nur daß dort die traditionell
armenische rechteckige Außenform durch die rechteckige Gestalt der Seitenapsiden und außen
durch den geradlinigen Abschnitt des Halbkreises der Hauptapsis treuer gewahrt ist.
Dagegen würden wir in Lemberg nach armenischer Profanarchitektur vergebens
suchen; die schmucken Häuser in den armenischen Gassen zeigen im Gegentheil das Bestreben
der Besitzer durch Reichthum der in reichem Stil der Spätrenaissance gehaltenen Anßen-
decoration es den Patriziern gleichzuthun. Sie haben nur ein culturhistorisches, aber
kein kunstgeschichtliches Interesse; sie verdanken ihr Entstehen dem armenischen Säckel,
' Ähnliche Bogen finden sich in den Werken von Texier Dubois und Alischan häufig abgebildet.
» Bei Gailhaband.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch