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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
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491 fester Schablone verfaßter Ehevertrag verlesen und dies juridisch werthlose Document der juugeu Frau übergeben. Hierauf zerbricht der Bräutigam durch einen kräftigen Fußtritt einen kleinen Glaskelch, dessen Scherben abermals an die Hinfälligkeit menschlichen Glückes mahnen sollen, dann nippen die beiden jungen Gatten vom gesegneten Wein und die Ceremonie ist zu Ende. Das Paar, welches bis jetzt gefastet, zieht sich zu einem kurzen Imbiß zurück, während die Gäste bewirthet werden. Abends werden den Neuvermählten Geschenke über- reicht, dann findet ein Festessen statt, bei dem ein Schalksnarr — Marschall! — die Gäste durch gereimte und ungereimte Zoten und pikante Spässe im jüdischen Jargon unterhält. Am Tanze nehmen gewöhnlich blos Frauen und Mädchen theil und wenn selbst Männer mittanzen, so geschieht es ohne Berührung der Tänzerin, die ihr Partner mittels eines Tuches führt, von welchem er den einen und sie den andern Zipfel hält. Die Bewegungen sind decent, aber einförmig und gleichmäßig, wie die eines Perpendikels, dabei lärmt jedoch die Musik mit Pauke und Trompete, als sollten die Tanzenden die Erde zerstampfen. Weniger ceremoniös hingegen wird die Lösung einer Ehe vollzogen, zu welcher der Mann allein berechtigt ist. Der nach einem feststehenden, unabänderlichen Texte geschriebene Scheidebrief kann vom Gatten persönlich oder auch durch einen Boten im Beisein zweier jüdischer Zeugen übergeben werden. Mit dem Momente der Übergabe ist die Ehe gelöst; der Mann kann sofort, die Frau nach drei Monaten wieder heiraten. Weigert sich die Gattin den Scheidebrief anzunehmen, so kann seine Beibringung auch durch List geschehen. In einem Briefe, einem Pakete, in der Tasche eines Kleides liegt das verhängnißvolle Document, sie greift arglos danach, die bestellten Zeugen rufen: „Du bist geschieden!" Und es ist vollbracht! So war's wohl noch in jenen grauen Zeiten, als die Juden im eigenen Reiche das Leben der Orientalen lebten, die Fran nicht die Gefährtin, sondern fast die Leibeigene des Mannes war, deren er sich, wie Abraham der Hagar, beliebig entledigen konnte. Freilich gilt diese Ceremonie nicht vor dem staatlichen Rechte, aber die Staats- gesetze leuchten nicht hinein in die untere Schichte des galizischen Judenthums, wo die Überlieferungen und Anschauungen der Vorzeit noch mächtig herrschen, nach denen noch immer im Dämmer der Judengasse gelebt, geheiratet, geschieden und begraben wird. Da der jnnge Mann keinen Erwerb erlernt, keine Studien als die des Talmuds gemacht und in so frühem Stadium des Lebens noch wenig für den schweren Kampf nms Dasein vorbereitet ist, so wird im Vorhinein von den beiderseitigen Eltern vereinbart, wie lange das junge Paar im Hause der einen, und wie lange im Hause der anderen beköstigt werden soll. Gewöhnlich bleiben die Neuvermählten ein oder zwei Jahre in voller Verpflegung bei den Eltern der Frau, dann ebensolange bei den Eltern des Mannes. Schließlich ist der Aufwand an Wohnung, Einrichtung nnd Kost nicht erheblich. In einen Winkel der Stube werden zwei Betten, zur Noth ein Bett nnd ein hölzernes Sofa,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Volume 19
Title
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Subtitle
Galizien
Volume
19
Editor
Erzherzog Rudolf
Publisher
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Location
Wien
Date
1898
Language
German
License
PD
Size
16.48 x 22.34 cm
Pages
920
Keywords
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Categories
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