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Erzeugnisse eigener Hausindustrie sind, so fällt die Verschiedenheit grell in die Auge«,
um so greller, je näher nnd gründlicher man die Wohnungen, Sitten und Gebräuche der
ländlichen Bevölkerung der verschiedenen Gegenden betrachtet. Wir haben es also sichtlich
mit einer Bevölkerung von verschiedenster Abstammung zu thun, znmal ja der lange, sich
vom Westen nach Osten hinziehende verhältnißmäßig schmale Streifen Landes, welcher
jetzt das Kronland Galizieu und Lodomerien mit dem Großherzogthum Krakau und dem
Herzogthum Auschwitz und Zator genannt wird, nnr ein Stück eines großen historischen
Ganzen ist. Man darf nicht übersehen, daß diese Theile des ehemaligen polnischen Reichs
sehr lange Zeit Grenzprovinzen waren, und zwar Grenzprovinzen zwischen Osten und
Westen. Auf der eiueu Seite grenzten sie an Länder der ottomanischeu Herrschaft, auf
der andern an Länder, welche unter dem Einflüsse und der Herrschaft der römische« uud
deutschen Kaiser standen. Durch das jetzige Galizien führte fast der kürzeste Weg von
Osten nach Westen; deswegen waren diese Gegenden dnrch Jahrhunderte gar oft der
Kriegsschauplatz zwischen Osten und Westen und der Tummelplatz der verschiedensten
asiatischen Horden und Völkerschaften aus der Mongolei, Rußland, Schweden, der Moldan
und Walachei n. f. w. Bei den meisten dieser Kriege und Streifzüge war der Haupt-
zweck, Beute zu machen, und die kostbarste Kriegsbeute waren damals die Kriegsgefangenen.
Ganze Bevölkerungen wurden weggeführt, besonders aus Podolieu, uud wer nur zu irgend
einer Arbeit tauglich war, wurde hauptsächlich auf den Sclavenmärkten und iu den
Selavenbazars Asiens und Nordafrikas verkauft und zu allem Denkbaren benützt. Nach
solchen Kriegen und Streifzügen waren öfters ganze Strecken Landes entvölkert. Es
mußten neue Insassen gesucht werden. Vor Allem hat man Kriegsgefangene, Nachzügler,
Überreste der hausenden muselmännischen Horden angesiedelt. Aber auch Auswanderer
aus audereu polnischen Provinzen wurden hier ansässig und ebenso Kriegsgefangene aus
dem Westen nnd verschiedenstes Kriegsvolk. Daher kommt es, daß wir hier nnd da
Kolonien von Maznren, Kozaken, Tataren, Schweden, Lithauern, Deutschen, Walachen,
Türken u. s. w. finden. Die Ureinwohner, wie alle hier eingewanderten nnd angesiedelten
Leute, haben Sitten, Gebräuche, Tracht, Hausindustrie und verschiedene Gewerbe und
Traditionen ihrer Heimat beibehalten. Diese Einwanderer, Kolonisten, Kriegsgefangene
haben sich, soweit nnr möglich war, znsammeugruppirt und sich einen gesammten
Marktplatz ausgewählt, wo sie für sich und ihre Stammgenossen zu Hause verfertigte
Gebrauchsgegenstände kaufen, verkaufen oder tauschen konnten. Alles war für den eigenen
und den Gebrauch ihrer Stammgenossen nach alter Tradition und heimatlicher Sitte
verfertigt. Diese Umstände erklären uns die Loealisirnng der Prodnete der Hansindustrie
iu einer gewissen Gegend, denn vielleicht schon in nächster Nähe waren die Bewohner
anderer Herkunft, eines anderen Stammes, die andere Tracht, andere Sitten und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch