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Es treten jetzt drei Männer auf, deren jeder eine andere Stufe und Nuauee
der damaligen polnischen Gesinnung und Bildung, alle drei aber gleich charakteristisch
darstellen.
Nikolaus Roy, 1505 in Zörawno (jetzt Ostgalizien, Bezirk Stryj) geboren, brachte
seine Jugendjahre zu Hause mit Jagen und Fischen zu; als ihn der Vater zum Lernen
zwingen wollte, begab er sich nach Krakau, doch nur für eine kurze Zeit. Endlich ver-
vollständigte er seine Erziehung am Hofe des Wojwoden Txczynski. Dieses rohe,
vernachlässigte Naturkind erscheint in seinen späteren Jahren als tüchtiger und strebsamer
Verwalter, der sein Vermögen ansehnlich mehrt, immer neue Güter kauft und Städtchen
und Marktflecken gründet. Er fühlt daß er zu wenig gelernt hat, er sucht das Versäumte
nachzuholen und bringt es bei lebhafter Intelligenz rasch zu einer allerdings mehr
eklektischen Bildung. Nun hört er von allen Seiten und liest in allen Büchern von einem
neuen Glauben, der die Rückkehr zum ursprünglichen Christenthum sei. Sein Gewissen
empört sich gegen die Verweltlichung der Geistlichkeit. Er fängt an zu grübeln, ob denn
dieser oder jener Glaubensartikel wirklich im Evangelium begründet sei; es fällt ihm nicht
bei, an seiner Befähigung und Berechtigung diese Fragen zu entscheiden, zu zweifeln, so
steht denn der durchschnittliche polnische Protestant des XVI. Jahrhunderts fertig da.
Er versucht zu schreiben, und zwar polnisch, seinen Gesinnungsgenossen ein erwünschter
Alliirter, nmsomehr, da er durch Humor und Witz, durch Geselligkeit und lebenslustiges
Wesen allgemein beliebt ist. Durch sein protestantisches Gefühl uud durch literarische
Erfolge angespornt, verfaßt er eine Postilla (Predigtensaiumlung), ja selbst einen
Eommentar zur Apokalypse. Indem er den „?c»äiucus viwe- des Marcellus Palingenius
polnisch umarbeitet, bringt er ein höchst nmsangreiches didaktisches Gedicht in zwölf
Büchern zustande, welches VVi^eiuriolv (Abbildung des Lebens eines Ehrenmannes)
heißt, und an dem nur die häufigen satyrischen Abschweifungen interessant sind, weil sie auf
Sitten- und Culturstand des damaligen Polens einiges Licht werfen. DerAwiei-i^niee
(Thiergarten aller Stände mit ihren Sitten und Gebräuchen) ist eine umfangreiche
Sammlung von Epigrammen, denen weder die gute Absicht uoch eiu meistens richtiges
Urtheil, wohl aber Witz, und zwar nicht nur der feine, sondern auch der derbe und
gemeine abgeht. Die ^i^Iiki (Scherze), ihrer Zeit sehr beliebt, sind für die unsrige
einfach abgeschmackt. Das letzte, größte und werthvollste von Neys Werken heißt ^ > v o t
?<ze2eiwexo (üötoivieka (Leben des biederen Mannes); ein weitläufiger, in Prosa
geschriebener Tractat über Moralphilosophie, etwas geschwätzig, hie und da etwas
pedantisch, aber höchst charakteristisch für die Ideen des damaligen polnischen Edelmannes.
Ein gutes Herz, ein heiteres Gemüth, Hang zum friedlichen Landleben mit dessen
unschuldigen Freuden, Wohlgefallen an Büchern lind reges Gefühl seiner Verantwortlichkeit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch