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verzeichnen hat, ist ein kleines, ziemlich ungeschickt gedichtetes Soldatenliedchen vom Jahre
1796 oder 1797; es beginnt mit den Worten: „Noch ist Polen nicht verloren."
Das tragische Jahrhundert, welches das Ende der Republik sah und die Schuld auf
sich lud, demselben nicht frühzeitig und nicht energisch genug vorgebeugt zu haben, kann
doch zu seiner Vertheidigung anführen, daß es in seiner zweiten Hälfte unvergleichlich
mehr werth war als in der ersten, daß es seine und der Vergangenheit Fehler erkannte,
daß es sich ernstlich bemühte, dieselben gut zu machen, und in einem allseitigen Fort-
schritt begriffen war, als es unterging. Die letzten dreißig Jahre des XVIII. Jahrhunderts
haben die politische Bildung, das patriotische Bewußtsein und die Aufklärung in Polen so
bedeutend gehoben und gekräftigt, daß das Fortleben der Nation für gesichert gelten konnte.
In der neuen Lage warf sich die Frage auf, was noch wohl beibehalten, gerettet
und gesichert werden könne? Ein richtiger Selbfterhaltungsinstinct antwortete darauf, daß
die Möglichkeit, demnach die Pflicht vorhanden sei, Sprache, Literatur und Cultur zu
pflegen. Aus diesem Gedauken entsprang die Gesellschaft der Freunde der Wissen-
schaften, die im Jahre 1800 zu Warschau gegründet, bis zum Jahre 1831 sich in
angesehener, einflußreicher Stellung behauptete. Ihre Arbeiten umfaßten das ganze Gebiet
der damals so genannten moralischen und der Naturwissenschaften. Sie legte den Grund
zu wissenschaftlichen Forschungen, zur Kenntniß des polnischen Rechtes (Czacki, Bandtkie),
der Sprachwissenschaft (Kopezynski, Linde), der Literaturgeschichte (Ossolinski, Betkowski,
Osinski, Stanislaus Potoeki, später Brodzinski). Die Geschichtsschreibung wurde nach
zwei Richtungen gepflegt: Fortsetzung und Vervollständigung des Naruszewiez, und
Hebung des kritischen Standpunktes (Lelewel). Die slavische Vorzeit wurde durch Johann
Potocki erforscht. Die Philosophie wird durch Szauiawski, <sniadecki, später Golnchowski,
die Naturwissenschaften sind vor allen durch die Brüder Aniadecki, Poczobut, Jundzill und
durch Staszyc repräsentirt. Allerlei praktische Aufgaben werden darüber nicht vernach-
lässigt. Mit auswärtigen Gelehrten steht die Gesellschaft in Verbindung und findet öfters
Gelegenheit, auf Fragen zu antworten, die ihr aus London, Amsterdam und Paris gestellt
werden. So wurde sie ein thätiges und erfolgreiches Organ der Cultur; ein anderes, und
zwar mächtigeres wurde die Schulreform, welche gleich nach dem Regierungsantritt
Kaiser Alexanders I., vom Fürsten Adam Czartoryski hauptsächlich mit Hilfe Czackis
geplant und durchgeführt wurde.' (Universität von Wilna, Lyceum vou Krzemieniec und
andere in Wolhynien und Podolien.)
Auch die schöne Literatur und Dichtkunst, sowie die ästhetische Kritik wurde von
den „Freunden der Wissenschaften" geübt; und wenn der Erfolg den Bemühungen nicht
völlig entsprach, so läßt sich dies durch das starre Festhalten dieser Dichter und Ästhetiker
an dem französischen psendo-classischen Geschmack hinlänglich erklären. Als Lyriker wurde
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch