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Towianskis Auftreten rief in der Literatur eine unerwartete und sehr bedeutende
Erscheinung hervor. Die katholische Richtung trat seit dem Jahre 1831 auch in
der Literatur stärker hervor: die Tendenz, religiöse Gefühle zu festen Überzeugungen
auszubilden, machte sich immer mehr geltend. Aus derselben ging der Gedanke
eines neuen Ordens hervor, der auch in der That in Rom (1842) endgiltig gegründet
wurde. Als nun aber in der Emigration die Gefahr neuer Häresie sich zeigte, war es
Pflicht der jungen Ordensbrüder, gegen dieselbe aufzutreten. Hieronymus Kajsiewicz,
geboren 1812, im Jahre 1831 ein tapferer Uhlane, dann in Paris ein eifriges Mitglied
allerlei revolutionärer Clubs, von Mickiewicz und dessen Freunden auf eine bessere Bahn
gelenkt, mit seinem Freunde Semenenko, Gründer des Resurrectionisten-Ordens, wurde
jetzt nach Paris geschickt, um gegen den neuen Irrthum zu kämpfen. Er betrat die Kanzel
und enthüllte auf einmal ein Rednertalent, wie es in Polen seit Skarga nicht gehört
worden war. Von den vielen ausgezeichneten Predigern, die jene Zeit aufkommen
sah, — Janiszewski, Antoniewicz, Prusinowski, Kozmian, endlich dem viel jüngeren
Golian — näherte sich keiner dem großen Vorgänger so sehr, wie Kajsiewicz, welcher
gleich Skarga mit außerordentlicher Kraft den Polen die Schuld vor Augen hält, welche
sie an ihrem Vaterlande und dessen Zukunft begangen haben. Er starb in Rom 1873.
Krasinski wurde von der Towianski'schen Lehre nicht angesteckt, ihm galt sie als
eine leere und schädliche Träumerei. Jenes System der Historiosophie aber, welches er
selbst in diesen Jahren herausgebildet hat, war doch vom Mysticismus nicht ganz frei. Er
folgte der von seinem Freunde Eieszkowski in den Prvlegomena zur Historiosophie
(1838) durchgeführten Eintheilnng der Weltgeschichte in drei Hauptepochen und baute auf
dieser Grundlage weiter fort. Die zweite christliche Epoche weist in unserer Zeit alle jene
Vorzeichen des Verfalles auf, welche einst das nahe Ende des heidnischen Alterthums
kennzeichneten. Wie damals das Christenthum, so muß jetzt etwas auftreten, was der
Menschheit neues Leben bringen wird. Die dritte Epoche naht heran; sie wird sich aber
nicht auf eine neue Offenbarung, sondern blos auf eine bessere, genauere Ausführung
und Realisirung des bereits offenbarten Willens und Gesetzes Gottes stützen. Die allmälige,
aber fortwährend steigende Negation des christlichen Bewußtseins bei Völkern und
Staaten ist die Ursache eines fürchterlichen Chaos, dessen grausen Anblick unsere Zeit
darstellt. Die Wiedergeburt der Civilisation, der Menschheit überhaupt, ist nur durch die
Verchristlichung aller, vor Allem aber der politischen Verhältnisse, des Völkerrechtes,
möglich. Die Theilung Polens war der allergrößte Frevel, der an einem so begriffenen
Völkerrechte begangen wurde; dessen Wiedergeburt muß also zum Anfang und zur Grund-
bedingung jener dritten glücklichen Epoche der Gerechtigkeit, der höheren, wahrhaft
christlichen Civilisation werden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch