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Marschall Berthier mit, und kehrte im Jahre 1815 auf seine» Landsitz Bienkviva Wisznia
(im Samborer Kreise) zurück. Im Jahre 1822 ließ er zuerst das Lustspiel, den Herrn
Geldhab aufführen. Sein Talent kvmmt in demselben noch nicht ganz zur Geltung; doch
sind Vers und Witz so kernig und glänzend, die komischen Situationen so ergötzlich, daß
sich in demselben auf einmal ein ausgezeichneter Lustspieldichter enthüllt. Dem Geldhab
folgten andere Stücke in Vers oder Prosa, die einen mehr possenartig, die anderen der
höheren Comödie angehörend, die meisten entzückend, die schwächeren doch den Stempel
eines großen Talents tragend. Im Sinne der alten Schule Moliere's ist es dem
Verfasser nicht um das Auflösen einer Intrigue zu thun. Dagegen sind die Figuren ganz
nnd gar aus dem polnischen Leben gegriffen, Humor und Witz so volksthümlich, so echt
polnisch, daß man in demselben jenen der alten Schriftsteller, Rey, Pasel, Krasicki, wie
jenen des scherzenden Bauers poteuzirt wiederfindet. Er ist der Typus des nationalen
Humors; an echt dramatischem Jnstinct kam ihm in Polen kein anderer Dichter gleich. Von
seinen Lustspielen sind die meisten der Gegenwart, einige der Vergangenheit entnommen.
Von den letzteren sind die denis ia (Rache) und der Herr Jowialski , von der ersteren
die Sludv pan iensk i s (Müdchengelübde) die reizendsten. Daß Fredro einen mächtigen
Einfluß auf die polnische Bühne ausgeübt hat, versteht sich von selbst; vor Allem ans die
Lemberger Bühne. Die Thätigkeit des Dichters trifft mit der Blütezeit derselben zusammen.
Zwischen dem Jahre 1830 bis 1845 namentlich war das Lemberger Theater zu hoher
Vollkommenheit gelangt. Johann Nepomnk Kaminski, in seiner Jugend Bogustawskis
Schüler, war Director. Als Dichter, leider auch als Übersetzer (Schillers unter anderem)
ließ er zwar sehr viel zu wünschen übrig; als Leiter des Theaters aber war er ausgezeichnet.
Dazu kam, daß Graf Stanislaus Skarbek, ein kinderloser, überaus reicher Mann und
Literaturfreund, der sein ganzes Vermögen zur Stiftung einer Erziehungsanstalt für arme
Kinder vermachte, außerdem noch ein Theater (1841) in Lemberg erbaute und leitete. Für
die Schauspieler war das natürlich eine mächtige Anregung. Der Warschauer Schule, die
mit ihren Zoikowski, Krölikowski, Richter, den Brüdern Chominski, den Damen Palezewska
und Halpert glänzte, stellte Lemberg einen Smochowski und Benza gegenüber, die in
der Tragödie, besonders in der Schiller'schen allgemein bewundert wurdeu. Johann
Nowakowski hat vor Allein in altpolnischen Rollen keinen ebenbürtigen Nachfolger
gefunden. Als tragische Heldinnen wurden besonders Frau Starzewska und die noch jetzt
lebende Angelika Aszperger berühmt. Auch Bogumit Dawisou war ein Zögling Kaminskis.
In Galizien trat auch der einzige Dichter auf, der unter den daheimgebliebenen ein
höheres Talent offenbarte.
Vincenz Po l war im Jahre 1807 in Lnblin als der Sohn eines k. k. Gerichts-
rathes geboren. Als er seine Studien in Lemberg vollendet hatte, wurde ihm die Aussicht
Galizien. 4V
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch