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Wie viel er aber auch Bielowski verdankt, ist er nicht abhängig von demselben, vielmehr
in Allem sein Gegensatz. Bielowski ist ein ernster, gelehrter Forscher mit geringer Anlage
zur Synthese. Szajnocha forscht ebenso eifrig und gewissenhaft, aber ihm ist es vor Allem
daran gelegen, das Erforschte in ein lebendiges Bild zusammenzufassen. Er besaß im
höchsten Grade die Gabe, den Charakter einer Epoche (oder eines Menschen) zu ergründen
und darzustellen. Seine Hauptwerke sind „Bolestaw Chrobry" und „Jadwiga und
Jagieilo". Mit dem Jahre 1859 wurde seine Augenkrankheit zur unheilbaren Blindheit.
Doch gab er die Geschichtsforschung nicht auf; er ließ sich die Acten und Docnmente
vorlesen und dictirte. So entstanden die meisten seiner kleineren Abhandlungen und
Monographien, die sogenannten „Skizzen", unter denen sich manche Perlen polnischer
Geschichtschreibung finden.
Außer den beiden Genannten wären noch viele Andere zu erwähnen, von denen einige
eine tendenziös poetisirende oder tendenziös politische Richtung verfolgten (Moraezewski,
Heinrich Schmitt, Valerian Wröblewski), Andere (Anton Walewski, Professor an der
Krakauer Universität, Karl Hoffmann, Leo Wegner, Kasimir Jarochowski) mit Ernst und
Erfolg die Geschichte erforschten.
Die Literaturgeschichte hat zwar (außer einigen ziemlich werthlosen Versuchen) kein
Werk auszuweisen, welches ihr Gesammtbild darstellen würde: sie macht aber auf dem
Umwege der Monographien einen beträchtlichen Fortschritt. Julian Bartoszewiez, ein
höchst fleißiger und dabei geistreicher Schriftsteller, hat auf diesem Gebiete Vieles und
Schätzbares geleistet. Graf Moriz Dzieduszycki, Statthaltereirath in Lemberg und eine
Zeit lang Enrator des Ossolinski'schen Instituts (gestorben 1877), hat außer anderen
Werken eine gründliche Monographie über Skarga geschrieben. Als literarischer und
ästhetischer Kritiker aber zeichnet sich vor Allen Lncian Siemienski aus.
In Galizieu 1809 geboren, hat Siemienski wie Alle den Krieg vom Jahre 1831
mitgemacht und verblieb dann einige Jahre in Lemberg, mit Bielowski und Anderen
durch innige Freundschaft und gemeinsame literarische Wirksamkeit verbunden. Damals
brachte er seine prächtige Übersetzung der „Königinhofer Handschrift" zu Stande.
Er wurde aber des Landes verwiesen und begab sich nach Frankreich. Hier trat er noch
immer vorwiegend als Dichter auf, und er besaß auch wirklich viel Talent, nicht genug
aber, um ein Dichter ersten Ranges zu werden. Was er aber — damals noch unbewußt —
in hohem Grade besaß, das war der künstlerische Schönheitssinn, der sich beim Anblick
aller jener Kunstwerke, die er in seinem Vaterlande zu sehen nicht die Gelegenheit hatte,
entwickelte. Eifriges Lesen ästhetischer und kunsthistorischer Werke bildete diese natürliche
Anlage so aus, daß Siemienski, ohne systematische Studien in dieser Richtung gemacht
zu haben, zn einem sehr feinen und kenntnißreichen Kritiker und Kunstkenner wurde.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch