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Gestalt zu Ansang des XII. Jahrhunderts abgefaßt), welche nicht nur als die erste glaub-
würdige Quelle der ältesten Geschichte Kiews nnd der Ostslaven gilt, sondern auch durch
ihre Nachrichten über die vorgeschichtlichen Zustände fast sämmtlicher slavischer Völker einzig
in ihrer Art dasteht. Durch Originalität der Form aber und hohen poetischen Werth
übertrifft alle anderen literarischen Producte jener Zeit das berühmte epische Gedicht vom
Heereszuge I g o r s gegen die Pokowzer o IIiope»1i). Es wurde
von einem uns nicht näher bekannten genialen Dichter, höchst wahrscheinlich im Jahre 1187,
verfaßt. Derselbe hat nicht nur die poetischen Motive der etwa schon vorhandenen Aus-
zeichnungen früherer Schriftsteller, sondern auch Muster der uur mündlich überlieferten
Dichtung nach reiflich erwogener Wahl bei der Bearbeitung seines Gedichtes benützt und
somit ein Werk geschaffen, welches als einzig dastehendes Denkmal der ältesten slavischen
Poesie zu betrachten ist. In diesem Gedichte, welches mit jener Wehmuth, die den ukrainischen
Dnmen eigen ist, den unglücklich endenden Heereszug behandelt, wird der Fürst von Halicz
Jaroslaw höchst rühmend erwähnt.
Unter den übrigen Denkmälern des XII. Jahrhunderts ist das Evangelium vou
Halicz oder von Krhtos (1143) beachtenswerth. Die Sprache dieses Denkmals ist zwar
kirchenslavisch, doch einige seiner grammatischen Eigenthümlichkeiten tragen den Stempel
der jetzigen dialektischen Züge des Rnthenischen. Dieses wichtige Sprachdenkmal befindet
sich jetzt in der Synodal-Bibliothek zu Moskau.
Die Sitte, annalistische Aufzeichnungen zu machen, hatte sich von Kiew aus auch
nach Wotynien und Halicz verbreitet nnd da auf dem Throne von Halicz mehrere tüchtige
Fürsten saßen, so wurden ihre Thaten von Augenzeugen beschrieben. Auf diesen Auf-
zeichnungen fnßend und an die Kiewer Annalen anknüpfend, schrieb ein der Dynastie des
Fürsten Roman treu ergebener Annalist gegen das Ende des XIII. Jahrhunderts die
Wotynisch-Haliczer Chronik (1205 bis 1292). Der Verfasser derselben war ein
aufgeklärter Mann, welcher Erzählungen der Augenzeugen, sowie ofsicielle Urkunden zu
seinen Zwecken auszunützen verstand und außerdem seinem Werke eine poetische Färbung zu
verleihen wußte.
Als die wilde Mongolenhorde im Jahre 1240 Kiew, Halicz nnd viele andere
rnthenische Städte zerstörte und das Land schonungslos vernichtete, wendete sich der Haliczer
Fürst Dauiko an den Papst Jnnocenz IV. um Beistand, wofür er die kirchliche Union mit
Rom einzugehen versprach. Danito empfieng vom Papste die königliche Krone (1253), da
aber die versprochene Hilfe ausblieb, so verharrte er mit seinem Volke beim orthodoxen
Glauben. Infolge der Einfälle der Mongolen fristete das Culturleben im Haliczer
Fürstenthum eiu sieches Dasein. Vereinzelte Männer, wie der Fürst Wladimir Wasilkowic,
vom Verfasser der Haliczer-Wotynischen Chronik (s. a. 1288) „der größte Schriftgelehrte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch