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ihrer Widersacher ein förmliches Bündniß schloß. Bald darauf (1593) verlieh Jeremias,
Patriarch von Constantinopel, der Lemberger Bruderschaft den Namen „Stanropigianisches
Institut", indem er dieselbe von der Gerichtsbarkeit des Lemberger Bischofs und des
Kyjewer Metropoliten befreite und seiner eigenen unmittelbaren Suprematie unterordnete.
Später lief der Lemberger Stauropigianschnle das von dem Kiewer Metropoliten
Peter Mohyla zu Kiew (1632) errichtete Collegium den Vorrang ab. Mohyta hatte
in seiner, nach dem Vorbilde der Krakauer Akademie eingerichteten Anstalt den ganzen
Apparat scholastischer Bildung mit lateinischer Vortragssprache eingeführt, um Verfechter
der orthodoxen Kirche auszubilden, die sich in der Polemik sogar mit den Jesuiten messen
könnten.
Der Einfluß der abendländischen Geistesrichtung zeigte sich auch iu der Abfassung
von dramatischen Mysterien und Krippenliedern. Im Jahre 1630 wnrde zu
Lemberg ein kirchenslavisches Excerpt der griechischen Tragödie unter dem
Titel e i . I pni e^i» Xp»«?ioel>-naexnni^ gedruckt. Die religiösen Dramen, die ini
Kikw'schen Collegium von den Lehrern der Poetik pflichtgemäß geschrieben wurden,
konnten in dem von Kiew ziemlich weit entfernten Lemberg keine Wurzeln fassen.
Populär waren hier aber die Weihnachtspuppenspiele (^»»1» vepienni), eine bunte
Zusammenstellung von Ernst und Scherz, von Geistlichem und Profanem. Hiebei wnrdeu
auch kirchliche Weihuachts- und weltliche Volkslieder gesungen.
Was die historische Literatur in dieser Zeitperiode anbelangt, so wurde zu Lemberg
in ruthenischer Sprache eine höchst originelle Chronik geschrieben, welche gleichsam als ein
Mittelglied zwischen den alten fürstlichen und neueren zeitgenössischen Kozakenchroniken
dasteht uud großeutheils nur solche historische Begebenheiten schildert, die sich in Galizien
ereignet haben. Dieselbe hat den Titel Lwowskaja Litopys (Lemberger Chronik). Höchst
wahrscheinlich von einem weltlichen Mitgliede der Stanropigian Bruderschaft verfaßt,
beginnt sie mit dem Jahre 1498 und reicht bis zum Jahre 1649. Der im XVII. Jahr-
hundert lebende Verfasser benützte für das XVI. Jahrhundert kurze anualistische Notizen;
seit dem Jahre 1605 setzte er die Chronik selbständig, mitunter als Augcuzeuge der
geschilderten Begebenheiten, fort.
III. Das XVIII. Jahrhundert weist ein vollkommenes Stocken in den literarischen
Bestrebungen der Rutheueu iu Galizien auf. Die Ursache dieser Erschlaffung lag darin,
daß während der langdauerudeu Polnischen Herrschaft der ruthenische Adel und die
rutheuische Intelligenz durch zahlreiche, größtentheils von den Jesuiten geleitete Schulen
fast gänzlich polonisirt und latinifirt worden war. Die weltliche Geistlichkeit, welche sich
der ruthenischeu Muttersprache noch nicht eutäußert hatte, stellte eiu trauriges Bild crafsester
Ignoranz und kläglichster Armut dar. Nur die nnirten Bafilianermönche, die oft in Rom
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch