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gemeinsame Plananlage und wendet dasselbe Constructionssystem an. Sie bedient sich für
die Constrnetions- und Ornamentationstheile des behanenen Kalksteines, kennt weder
geformte noch glasirte Ziegel und steht mit der Ziegelarchitektur der baltischen Küste iu
keinem Zusammenhange. Ihre nächsten Beziehungen hat sie zu den Denkmälern Breslans.
Dnrch ihre Dimensionen am erhabensten, dnrch ihre Ausschmückung nnd durch die
Schlankheit der Proportionen des gewölbten Inneren am hervorragendsten ist in dieser
Gruppe die Kirche der Jungfrau Maria am Ring. Das reich gewordene Krakauer Bürger-
thum sucht mit der neuerbauten Kathedrale am Wawel durch den Ban einer neuen großen
Hauptpfarrkirche zu concurriren. Das alte Heiligthum wird niedergerissen; man erhält nur
die alten Frontthürme, welche man mit dem Körper der neu zu bauenden Kirche zu vereinigen
gedachte. Der Bau zieht sich durch die ganze zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts hiu.
Die Einwölbung beendigte in den Jahren 1397 bis 1398 der ans Prag berufene Meister
Werner. Der Grundplan der Kirche zeigt ein breites Mittelschiff mit schmäleren Seiten-
schiffen. Das Mittelschiff ist über die Seitenschiffe Hinausgebant und endet in ein gleich
langes Presbyterinm, das mit drei Wänden eines Achteckes abgeschlossen ist. Ein Querschiff
fehlt, deshalb zieht sich die Höhe der Wölbung von der Arkade zwischen den Thürmen
bis zum Apsisabschlufse des Presbyteriums, das durch einen, den sogenannten Regenbogen,
kaum durchbrochen ist. Die Seitenschiffe endigen ebenfalls mit demselben Triumphbogen;
deshalb tritt das Presbyterium nach außen allein hervor und ist mit Streben umfaßt. In
den Vorderschiffen vereinigt das Krakauer Constrnctionssystem die Principien der inneren
Streben hinter den Pfeilern. Ungemein tief herabreichende lange Fenster mit drei Feldern
nnd reichem Maßwerk werfen ein Helles Licht in das Innere des Presbyteriums. Den
inneren Schmuck bilden Dienste, welche sich auf den Wänden im weiteren Verlaufe der
Gewölberippen herabsenken und ihre Verbindnng am Kämpfer der Kreuzkappen mit einer
herrlichen Blätterornamentik auf den Dienstcapitälen, Figurensockeln und Baldachinen und
in den prunkvollen Maßwerkreliefs an den Wänden des Presbyteriums finden. Die Außen-
seite repräfentirt sich als ein Ziegelrohban, anf den Strebepfeilern erheben sich steinerne
herrliche Fialen. Figürlicher Schmuck findet sich an Fensterpfosten, nnd in der Hohlkehle des
Kranzgesiinses sitzen phantastische Figuren, welche auf alten, ans dem Westen stammenden
Legenden und Anschauungen beruhen. Mit diesem Denkmale hält keine andere Kirche dieser
Gruppe iu der Bearbeitung der Details einen Vergleich aus. Nur au der Dominicanerkirche
findet man ein ebenso schönes ornamentirtes Portal, welches an den Steinmetz der Marien-
kirche erinnert. Gemeinsam bleibt ihnen aber die Majestät des Innern, zumal in den schönen
Proportionen der hohen Wölbungen nnd Pfeilerstellnngen, welche die Vorderschiffe trennen.
Zn den Überresten des XIV. Jahrhunderts gehört das alte Kirchlein in Niepolomice,
einschiffig, mit einem Thurme in der Front, mit Portal uud schöner Wölbung im
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch