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geschmückt. Daneben erhielten sich eine Rustikabastei mit einem Einfahrtsthor nnd einem
Eingang für Fußgänger, die Spuren einer Zugbrücke und ein Ausfallskanal oder Poterue.
Es ist Schade, daß dieser Überrest, einschließlich der Mauer, welche den Bellnard mit
dem Thore verbindet, zum Wirthschaftsgebrauche (Brennerei) umgestaltet worden ist.
Das bei den vermögenden Geschlechtern zu Ende des XV. Jahrhunderts erwachte
Verlangen nach Prachtgebäuden brachte es mit sich, daß auch dem Hofe der Jagellonen seine
Wohnungen in dem Krakauer Schlosse am Wawel eng und unbequem wurden. Dies
hatte einen vollständigen Umbau desselben im Geiste der italienischen Renaissance dnrch
König Sigismund I. zur Folge. Das ist der Anfang der königlichen Paläste, wie wir sie
hente noch allerdings im Zustande der Vernichtung, aber mit ausgeprägten Stilmerkmalen
vorfinden. Francesco aus Florenz, Sohn des Philipp Lori und seiner Frau Angela
Balsinello aus Settignano, dessen Onkel nnter Alberti nnd Rosselini gearbeitet hatte,
wurde vom König Sigismund aus Italien berufen, nm die neuen Wohnräume zu bauen.
Er zeichnete die Pläne für das Gebäude, welche nach seinem, im Jahre 1516 ein-
getretenen Tode der Schöpfer der Sigmnndkapelle in der Krakauer Kathedrale Bartolomeo
Bereeci ausführte, dessen Oheim Antonio Soliari, der Autor der Freskogemälde im
Kloster St. Marco in Florenz war. Der Ban wurde 1534 vollendet. Ein Zeuge der
ursprünglichen Pracht ist der geräumige Schloßhof in Form eines Rechteckes, mit zwei-
stöckigen Flügeln im Norden und Osten, zum Theile auch im Westen und mit Arkaden-
gallerien unten und im ersten Stockwerk, während die Säulen des zweiten einen einzigen
zierlichen Plafond tragen. Die Stockwerke umfassen eine Reihe von Sälen, die ihres
Schmuckes beraubt sind, mit Ausnahme der Fenster- und Thüröffnungen, welche ans die
Gallerten des Schloßhofes hinausgehen. Das sind Arbeiten zünftiger Krakauer Steinmetz?
im gothischen Charakter, mit Renaissancegesimsen von eigenthümlicher Schönheit gemischt,
die von eineni Zusammenarbeiten einheimischer Arbeiter mit den Italienern Zeugniß
geben. Schön ist ein hervortretendes Renaissancefenster an dem westlichen Flügel, herrlich
das Eingangsthor mit Füllungen und Rosetten ober den Bogen der Arkade. Es fehlt
nicht an Erinnerungen an die Pracht der Schloßsäle und Zimmer; den Decorationen der
Renaissancedecke entsprach hier der Prunk der mit Arrazen bedeckten Wände. In dem
Palastthurm neben der Knrza Stopa findet man die schöne Stuckdecoration einer Kapelle,
ein Werk Sigismund III. Wasa, auf dessen Kosten dieser Schmuck der Paläste am Wawel
entstanden ist.
Es fehlt nicht an Beweisen, daß am Abhang der Karpathen der polnische Szlacheic
aus seinem hölzernen Schlößlein auf den Anhöhen in ein neugebautes, mehrstöckiges
Herrenhaus ins Dorf übersiedelte, das zwar im Innern keinen Hof hatte, aber bequeni
und vor Anfällen des Gesindels gesichert war. Ein großer Speisesaal, daneben kleine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch