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der siebeubürgisch-uugarische und schließlich der immer im profanen Schmnck, namentlich
in der Costüm- und Waffendeeoration stark aceentnirte orientalische. Die byzantinische Stil-
richtung, welche auch in dem berühmten goldenen Kreuze Kasimirs des Jagelloniden im
Krakauer Domschatz ihren Ausdruck findet, beschränkt sich auf die ruthenische religiöse
Kunst, wo sie auch mehr rituell als rein stilistisch auftritt, und erhält sich spurenweise bis
in das XVII. Jahrhundert, bis sie auch hier vor der westindischen beinahe gänzlich
zurückweicht. Eine sehr interessante Übergangserscheinung ist ein Denkmal der Gold-
schmiedekunst aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts, ein großes silbernes Altarkreuz
der Stauropigialkirche in Lemberg, ein Werk des rnthenischen Goldschmieds Andreas
Kassyauowiez (1638), welches blos in der signralen Darstellung der Leiden Christi
byzantinisch-ikonographische Motive ausweist, sonst aber ein aus gothischen nnd Renaissance-
Motiven mechanisch zusammengefügtes, stilloses Ganzes vorstellt.
Wenn wir nur dasjenige Gebiet des alten Polenreiches berücksichtigen, welches das
heutige Königreich Galizien bildet, so sind Krakau und Lemberg die alten Hauptstätten der
Goldschmiedekunst, wie mich überhaupt diese beiden Städte, neben Warschau, Wilua
und Posen, Hanptcentralpnnkte der polnischen Kunstindustrie in der Vergangenheit waren.
Krakan war die überaus vornehmere Kunststätte und bis zur Verlegung des königlichen
Hofes nach Warschau nahm es den ersten Platz wie in der Kunst so im Kunstgewerbe
ein. Lemberg tritt viel später und bescheidener auf, ist aber in seiner kunstindustriellen
Thätigkeit schon deßhalb von wichtiger Bedeutung, weil es als eine internationale Stadt
eben den Schauplatz abgab, auf welchem sich die verschiedensten Einflüsse kreuzten, welche
nicht uur eulturell, sondern auch kunsthistorisch sehr merkwürdige Erscheinungen hervor-
riefen. Lemberg war es auch, welches das orientalische Element in den Kleinkünsten und
hauptsächlich in der Goldschmiedekunst am meisten und am längsten pflegte, und zwar
waren es seine armenischen Einwohner, welche jenen auffallenden, loeal stilifirten, den
einheimischen Sitten angepaßten, polnisch-orientalischen Charakter den Kleinkünsten und
speciell dem Goldschmiedwesen verliehen haben. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß
die polnische Goldschmiedekunst ein eigenes, sehr beträchtliches Gebiet hatte, welches diesem
Kunstgewerbe in anderen europäischen Ländern gewiß nicht so weit offen stand, das Gebiet
des Costüms, der Bewaffnung und des Reitersports. Bei der Prachtliebe und den
ritterlichen Lebensgewohnheiten des Adels war dies eine unversiegbare Absatzquelle für die
Goldschmiedekunst, welche in der Deeorirnng der Waffen und der Reitgeschirre sich zu einer
Specialität ausbildete uud einen hohen Grad der Vollkommenheit erreichte. Der Schwer-
punkt der Lemberger Goldschmiedekunst lag in dieser Specialität, namentlich im XVII. Jahr-
hundert. In Lemberg wurden die Säbel nnd Karabelas in kostbarer und geschmackvoller
Art gefaßt und beschlagen, die prachtvollen, in Gold und Edelsteinen erglänzenden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch