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selbst während des Aufenthaltes in der Bukowina die Überzeugung von der Möglichkeit der
vorgeschlagenen künftigen Einrichtung des Landes verschaffen. Am 26. April (1780) trat
der Kaiser seine Reise an; im Verlaufe derselben wurde jedoch der Plan, die Bukowina
zu besuchen, fallen gelassen. Erst während der Heimreise nahm der Kaiser den abgerissenen
Faden der Verhandlungen über die Bukowiner Frage wieder auf und richtete am
5. August 1780 jenes denkwürdige Handschreiben an den Commaudireuden in Galizien,
worin derselbe aufgefordert wurde, im Vereine mit dem Landeschef ein Gutachten über
die Reformfrage der Bukowina abzugeben. Zum ersten Male ist da der unglückliche
Gedanke einer Angliederung des Landes an Galizien zum Ausdrucke gelangt.
Ehe noch das verlangte Gutachten abgegeben werden konnte, trat ein ungemein
interessanter Zwischenfall ein. Ein Mann aus dem fernen Osten erschien in Wien als
„Abgeordneter der Bukowina", um im Namen des Adels und der Geistlichkeit
seines Vaterlandes die Klagen, Bitten und Wünsche der verschiedenen Gesellschaftsklassen
vor den Thron zu bringen. Am 13. November 1780 überreichte nämlich der Boja r
Basi l ius Balschs als Abgeordneter der Bukowina der Eentralregieruug eine höchst
bedeutsame Denkschrift. Darin schildert er in einschneidenden Zügen die Verhältnisse
seines Vaterlandes, den Zustand des Adels, der Geistlichkeit, der Bauern, die Korruption
in den Klöstern, den Verfall des Handels. Er deckt nicht nur die Wunden auf, überall
bringt er auch die nöthigen Heilmittel in Vorschlag und bezeichnet in beredter Weise die
Ziele der inneren Politik, die in dem neuen Reichslande erstrebt werden sollten. Jede seiner
Klagen ist durch Patriotischen Schmerz geadelt und die ganze Denkschrift wird durchströmt
von der Wärme patriotischer Empfindung und von der unbedingten Hingebung an die
große Monarchie, der sein Vaterland angegliedert werden soll. Auch über diese Vorschläge
und Wünsche verschob der Kaiser durch seine Entschließung vom 25. November 1780 die
Entscheidung bis zum Eiulaugen der Gutachten Schröder's uud Brigido's. Am 30. November
trafen dieselben endlich in Wien ein. Aber auch jetzt wich der Kaiser der eudgiltigeu Ent-
scheidung aus und forderte die böhmisch-österreichische Hofkanzlei zu einer bestimmten
Äußerung über das Bukowiner Reformwerk auf. Am 17. Februar 1781 kam die Hof-
kanzlei dem erhaltenen Auftrage nach und begleitete Brigido's Denkschrift mit ihrem
Gutachten, dem aber der Oberstkanzler, Graf Blümegen, seine eigene höchst beachtens-
werthe Erklärung beischloß. Der scharfsinnige und weitblickende Staatsmann sprach sich
entschieden dagegen aus, daß das Land an Galizien angegliedert oder gar in zwei Theile
zerrissen werde, er that dies mit der bezeichnenden Forderung, „daß die Bukowina
keineswegs mit anderen Provinzen vereinigt, sondern als ein ganz abgesondertes Land
und soviel möglich nach den jetzigen Gebräuchen und Sitten behandelt und darnach
getrachtet werden sollte, die Zuneigung und das Vertrauen der moldauischen Nation auf
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch