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galizischen ähnliche Gestalt gegeben, der Titel Bojar und Masil aufgehoben, der Adel
in den Herren- und Ritterstand getheilt wurde. In jenen reihte man die hervorragendsten
Bojaren und den Bukowiuer Bischof, in diesen die übrigen Bojaren und Masileu ein;
beide Adelsclassen wurden mit den galizischen Landständen vereinigt.
Die Stimmung der tonangebenden Gesellschaftskreise des Landes stand in schroffem
Gegensatze zu all' diesen Verfügungen und unerwarteten Neuerungen. Nach dem Tode
Joses's II. (20. Februar 1790) empfanden daher auch die führenden Persönlichkeiten in
Wien die Nothwendigkeit, dieser Stimmung Rechnung zu tragen. Zeugniß dessen der
Vortrag, den der oberste Hofkanzler Graf Kolowrat am 1. Juli 1790 dem Kaiser
Leopold II. erstattete. Darin wurde mit Nachdruck die Trennung der Bukowina von
Galizien und die Einführung einer autonomen Verwaltung dieses Landes empfohlen. „Im
Grunde", sagt der Kanzler, „ist im Wesentlichen wenig geschehen, um die Vereinigung
anders als dem Namen nach zu bewirken, sowie dann dieser so heterogene Theil mit dem
Ganzen auch wirklich nie zusammenhängen wird. Sitten, Gebräuche, Religion, Sprache,
Alles ist verschieden. Alle bisher angeführten Betrachtungen wären hinreichend, um das
Einrathen, daß die Bukowina von Galizien wieder ganz abgesondert werde, zu begründen.
Sie erhalten aber ein neues Gewicht durch die im Werke stehende Einführung einer
ständischen Verfassung in Galizien . . . . „Worin immer", fügt der weitblickende Staats-
mann in prophetischem Tone hinzu, „der Wirkungskreis der Stände bestehen wird,
kann er der Bukowina nur nachtheilig sein, weil die Bnkowiner Stände niemals hieran
einen activen Antheil nehmen werden."
Die Entscheidung Leopold's II. enthielt aber keine rückhaltlose Zustimmung zum
Vorschlage seines Kanzlers. Am 7. Juli 1790 theilte der Kaiser demselben folgende Reso-
lution mit: „Meine Gesinnung gehet eigentlich dahin, daß die Bukowina nnr insoweit von
Galizien getrennt werde, daß sie aufhöre, einen Theil des letzteren auszumachen und der
Bukowiuer Adel nicht als Stände Galiziens betrachtet werde; ohne also für diesen kleinen
Strich Landes eine besondere kostspielige Administration aufzustellen, wird selber in
Ansehung Galiziens <zuc»a<Z ?olitiea et ^uäicialia auf die nämliche Art wie Schlesien in
Ansehung Mährens zu behandeln sein, inzwischen aber ist die unmittelbare Besorgung der
Bukowina noch wie bisher ohne neue Einrichtung fortzuführen."
Auf Grund dieser kaiserlichen Entscheidung entwarf der Hofkanzler ein Patent, das
am 29. September 1790 die Sanction des Monarchen erhielt und sofort kundgemacht
wurde. Dies Gesetz räumte dem Lande eine autonome Ste l lung ein, die viel weiter
als die kaiserliche Entschließung vom 7. Juli ging. In ihm offenbart sich klar das
Schwanken, das im Schoße der Eentralregiernng über die Stellung herrschte, welche die
Bukowina im Verbände der Monarchie einzunehmen habe. Das kaiserliche Patent erklärte,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch