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soll gar nicht bestraft werden. Die Tödtuug eines zänkischen Weibes oder eines Juden
wird sehr milde beurtheilt, woraus die niedrige sociale Stellung des Weibes und des Juden
ersichtlich ist. Anderseits zählt die Profanirung des Kreuzes, ferner Kirchenraub und
Priestermord zu den schwersten Verbrechen. Nicht minder heilig sind dem Rnthenen die
Eltern. Dem Kinde, das seine Hand gegen Vater oder Mutter ausstreckt, muß dieselbe
verdorren, oder das Kind Wahnsinn umnachten. Elternmord ist daher das rnchloseste
Verbrechen, ebenso die Tödtnng eines schwangeren Weibes. Auch die Beraubung einer
Leiche und der Diebstahl im Hause einer armen Witwe wird aufs Strengste beurtheilt.
Merkwürdig ist die Strenge, mit welcher der Bienendiebstahl beurtheilt wird. Mit Abscheu
begegnet das Volk dem Selbstmorde. Es hält daranf, daß der Selbstmörder abseits, an
einer besonderen Stelle des Friedhofs beerdigt werde. Dagegen gilt der Räuberhauptmann
Dowbnsz, welcher im Jahre 1745 erschossen wurde, nicht für einen Räuber, wiewohl
er gemordet und geplündert hat, sondern geradezu für einen Helden, welchen das Volk in
großen Ehren hält. Erzählt doch die Sage von ihm, daß er den Teufel erschossen habe,
dafür von einem Engel heimgesucht und von Gott mit unendlicher Stärke ausgestattet worden
sei. Dowbusz und seine Genossen waren nach der Meinung des Volkes nicht gewöhnliche
Räuber (rabi^vnM), sondern oder „kaMamaeki«, welche den Kampf gegen
die Bedrücker des Volkes führten, und nur Verräther aus dessen Mitte verfolgten.
Vom Advoeateu heißt es: „Der Advoeat schreibt und schreibt, aber stets ans deiner
Haut", daher ist der Landmann meistens bestrebt, ohne Inanspruchnahme der Gerichte
seine Streitigkeiten vor dem Dorfrichter oder einem anderen Schiedsrichter zu schlichten.
Die Seele des Meineidigen verfällt nach dem Volksglauben dem Teufel; doch wer bei der
Leistung eines Meineides einen Stein unter dein Arme versteckt hält, dem soll sein falscher
Schwur nicht schaden, denn die Strafe für die Sünde treffe dann den Stein.
Für gute Nachbarn gilt das Vorkaufsrecht, woferne der Nachbar nur denselben
Preis wie der Frenide bietet. Wird ein Pferd oder ein Rind verkauft, so ist im Kaufpreis
stets auch der Halfter mitinbegriffen. Ist der Verkauf abgeschlossen, so wirft der Verkäufer
eine Glücksmünze (na s?c?ish'e) auf die Erde; fällt dieselbe auf den Adler, so wird es dem
Käufer mit dem erstandenen Thiere gut ergehen. Wird das Thier dem Käufer mit dem
Halfter übergeben, so sagt der Verkäufer: „Gebe Euch Gott Glück mit dem Thiere und
mir mit dem Gelde", worauf dann der Kanftrnnk (lnokorie?) folgt. Finderlohn zn geben
ist beim Rnthenen üblich, doch hängt die Höhe desselben vom Gntdünken des Eigenthümers
ab. Fängt ein Landmann auf seinem Boden einen Bienenschwarm ein, so betrachtet er ihn
als einen ihni gehörigen Fund, falls sich der Eigenthümer nicht meldet.
Feldbau und Viehzucht. Heilig ist dem rnthenischen Landmanne die Mutter
Erde (swMta i-einlxca); er ruft sie als seine Ernährerin im Gebete an und küßt dieselbe,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch