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Erkrankungsfalle statt. Während des Taufactes hält jeder Pathe in jeder Hand je ein
brennendes Licht. Den Act selbst vollzieht der Priester in der Art, daß er das Kind in
horizontaler Lage in das wannensörmige mit Wasser gefällte Baptisterion dreimal taucht,
worauf demselben weiße und rothe Seide zur Erinnerung an das Blut und Wasser, welches
aus der Seite Christi floß, gebunden wird.
Die Heiraten werden gewöhnlich von der Mutter des Bräutigams eingeleitet und
wird bei der Jungfrau viel auf gute Familie, wirthschaftlichen Sinn, Schönheit, noch
mehr aber auf Vermögen gesehen. Bis unlängst hielt man an der alten orientalischen Sitte
fest, den Jungfrauen den Kirchenbesuch nur am Neujahrs- und Palmsonntage, dann am
Verkündignngs- und Verklärungsfeste Christi zu gestatten. Dies geschah, um ja nicht zu
dem Gerede Anlaß zu geben, daß man die Töchter der Welt znm Anschauen vorführe.
DasCeremoniellderTranungistdemderGriechisch-Orientalenähnlich. DasSacrament
der Ehe darf aber nur an gewissen Sonntagen im Jahre gespendet werden. Den Braut
leuten werden während der Trauung Blumen- oder Metallkronen auf's Haupt gesetzt.
Früher wurden denselben rothe oder grüne seidene Schnüre um den Hals geschlungen, die
der Priester nach drei Tagen,wohl auch am Tage nach derHochzeit nnterGebeten löste, indem
er so die jungen Leute der Enthaltsamkeit entband. Vor Zeiten gab man dem Bräutigam,
nachdem ihn „kkae? ickpaierk" genannte Jünglinge zur Trauung angezogen, ein Schwert
in die Hand zum Zeichen der absoluten Gewalt über seine Frau. Dieses Schwert sollte
auch das Symbol sein, daß der Bräutigam drei Tage lang so angesehen wie ein Kaiser
sei; daher auch das für die Ehemänner nicht sehr schmeichelhafte, aber zutreffende armenische
Sprichwort: „Drei Tage Kaiser, vierzig Jahre Hausknecht!"
Ehescheidungen sind bei den Armeniern höchst selten, übrigens werden dieselben durch
religiöse Bestimmungen verpönt. Die letzte Ölung wird nur kranken Priestern gespendet,
bei Laien aber werden blos die betreffenden Gebete gelesen. Stirbt der Mann, so muß ihn
die Witwe ein ganzes Jahr betrauern. Die Armenier legen ihren Todten Wachskreuze oder
Silbermünzen in die Hand. Bei der Beerdigung derselben entfalten sie gerne großen
kirchlichen Pomp. An Montagen aber sollen höchst selten Bestattungen vorkommen, weil
sie glauben, daß sonst jeden Tag der Woche Einer der Ihrigen beerdigt werden müßte.
Die Armenier haben einen für Handel besonders ausgeprägten Sinn, den dazu
erforderlichen Witz, die unerläßliche Schlauheit und eine vielvermögende Beredsamkeit.
Merkwürdigerweise können dieselben aber in der Bukowina gar keine Bauern und sehr
wenige Gewerbetreibende, wohl aber viele Rechtsgelehrte aufweisen. Sie beschäftigen sich
mit dem Handel mit „Baccalien", Wein, Riemenzeug, Wolle, Pferdedecken, geblümten
Truhen, mit der Landwirthschaft, der Ochsenmastung, dem Viehhandel und dem Vieh-
Transport nach Wien, der Hornvieh- nnd Borstenviehschlächterei und endlich der Lichter-,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch