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Bei einer Zigeunerwirtschaft darf weder der Schmiedeofen sammt Blasebalg, noch
das primitive Schmiedewerkzeug fehlen, zumal das Schmieden eine Lieblingsbeschäftigung
des Zigeuners ist. Freilich ist er darin kein großer Meister, doch versteht er ziemlich gut,
Kessel zu flicken, Hacken, Messer und Sichel zu richten, zu schärfen imd zu stählen, die
Zugochsen zu beschlagen, dann Töpfeunterftänder, Feuerzangen, Nägel, Nadeln, Hanf-
kämme zc. zu verfertigen; ja einige betreiben auch die Glockengießerei.
Der Zigeuner bearbeitet aber gerne auch das Holz, woraus er Schaufeln, Spindeln,
Schöpflöffel, Teller, Mulden, Viertel, Siebe mit ledernem Untergrunde :c. anfertigt. Alle
diese seine Kunsterzeugnisse pflegt er auf den Nachbarmärkten oder von Haus zu Haus
selbst zum Kaufen anzubieten, oder er betraut damit seine vielgeplagte Ehehälfte. Auch
weiß er Bürsten zum Weiseln zu binden, die Häuser mit Lehm anzuwerfen, er versteht sich
aus die Landwirtschaft uud, wo sich die Möglichkeit dazu bietet, auf den Pferdediebstahl.
Endlich ist er Viehzüchter; bei seinem Hause darf weder das magere Schweinchen und der
magerere Hund, noch die Pferdemähre fehlen.
Nach dem Nichtsthun ist die Lieblingsbeschäftigung des Zigeuners die Musik. Darin
bringt er es, oft ohne eine Note zu kennen, sogar zur Virtuosität. Mit großer Fertigkeit
handhabt er alle nur erdenklichen Instrumente. In Ermanglung eines solchen weiß er sich
dadurch einen Ohrenschmaus zu bereiten, daß er, auf dem Rücken im Grase hingestreckt,
einem an den Lippen gehaltenen Blatte Töne, ja Melodien entlockt. In jeder Lebenslage
ist er sogleich bereit, sich und Anderen vorzuspielen, seine Weisen aber sind seiner augen-
blicklichen Gemüthsverfassung angepaßt. Ist er tranrig, gekränkt oder hungrig, was
gewöhnlich der Fall ist, so läßt er eine ergreifende höchst traurige Weise ertönen. Ist er
aber fröhlich und gut gelaunt, was immer nach einem gelungenen Diebstahl oder einer
reichlichen Mahlzeit der Fall ist, so läßt er lebensfrohe, hüpfende Tanzaeeorde hören.
Die alten Zigeunerinnen betreiben mit viel Geschick die oft einträgliche Kunst des
Wahrsagens aus Karten, Maiskörnern, Bohnen, den Handflüchefalten :e. Auch verstehen
sie den abergläubischen Bauernweibern den Schrecken und die Krankheiten abzusprechen.
Den liebenden, daher leichtgläubigen Banernmädchen zaubern sie ihre Zukünftigen herbei
und bereiten für dieselben und auch für manches liebeskranke Stadtfräulein für Geld oder
Eßwaaren unschuldige Liebestränklein. Die schnell abgeleierte, daher meist unverständliche
Wahrsageformel lautet: „Hast Glück uud wirst viele kleine mit Füßchen ringsherum
versehene Thierchen haben. Das Glück folgt deiner Ferse, wie der Hase der des Hundes!"
Aber auch das Betteln übt das junge wie das alte Zigeunerweib mit unübertrefflicher
Zudringlichkeit und Zungengewandtheit aus. Durch ihre Geschicklichkeit im Bettelu, Stehlen
und Verkaufen der diversen Schmiede- uud Holzerzeugnisse ihres Mannes, sowie durch
ihre Gewandtheit in der Wahrsagekunst, im Zaubern, Kartenansschlagen, Absprechen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch