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In Czernowitz mußte der Diplomat vierzehntägigen Aufenthalt nehmen, weil die dnrch
Regengüsse aufgeweichten Wege die Weiterreise unmöglich machten.
In solcher Verwahrlosung wurde die Bukowina im Herbste 1774 in die öfter--
reichische Verwaltung übernommen. Der mit der Orgauisirung des neu gewonnenen
Landes betraute Freiherr Splenyi von Mihäldy erkannte sofort, daß nur eine durchgreifende,
alle Verhältnisse umfassende Culturarbeit die asiatischen Zustände beseitigen und die neue
Provinz europäischer Civilisation zuführen könne.
Als geeignetes Mittel, die Hebnng der darniederliegenden gewerblichen und
industriellen Thätigkeit zu beschleunigen, erachtete Splenyi die Colonisation des Landes
durch Einwanderung aus den westlichen Cnlturläuderu, namentlich die Herbeiziehung guter
Handwerksleute. Die im Jahre 1760 in Philippeny (heute Prelipcze) entstandene Colonie
deutscher Ackersleute und Handwerker war leider schon 1768 gänzlich eingegangen. Indessen
hatte sich kurz vor der österreichischen Occupatio« ein kleiner Ansatz gewerblicher und
industrieller Thätigkeit an der von Gartenberg geleiteten Münzstätte in Sadagöra
gebildet, an welcher außer den Münzarbeitern noch verschiedene andere Gewerbsleute,
als Wagner, Sattler, Tischler, Schuster, Bäcker, Fleischer, Seifensieder — auch
hier wiederum Deutsche, insgesammt etwa 50 — angesiedelt waren. Nach Aufhebung der
Münzstätte wollten dieselben auswandern; Splenyi jedoch suchte sie zurückzuhalten,
begünstigte die Gartenberg'sche Niederlassung, ertheilte ihr Gewerbefreiheit, Marktgerecht-
same — sogar zu einer königlichen Frei- und Handelsstadt sollte sie ausgestaltet werden —
und wendete ihr noch andere Vortheile zu, die dahin abzielten, neue Gewerbsleute
herbeizuzieheu. Mit der Abberufung Splenyis war jedoch die gute Zeit für Sadagöra
vorüber und die einzige Ortschaft des Landes, in der einige bürgerliche Gewerbe vertreten
waren, hatte bald diesen Vorrang wieder eingebüßt.
Auch der Nachfolger Splenyis, General Enzenberg, wendete der Pflege des
Handels und der Einführung gewerblicher Production seine volle Aufmerksamkeit zu.
Es war eine Folge der von den beiden ausgezeichneten Männern im Interesse dieser
Erwerbszweige getroffenen Maßnahmen, daß sich in den Städten ein neues Leben
zn entfalten begann. Insbesondere die alte Handelsstadt Snczawa zeigte bald wieder
eine regere Geschäftsthätigkeit. Ende 1779 erwähnt Enzenberg über 100 große und
kleine Kaufmannsgewölbe der Armenier. Im Jahre 1804 zählte man im ganzen Lande
195 eigentliche Handelsunternehmungen, außerdem 401 Schänken, 220 Tabaktrafikanten
und 2 Überfuhrspächter. Durch Zusicherung mancher Vortheile, speciell vollster Gewerbe-
freiheit, sowie dreißigjähriger Steuerfreiheit aller zum Gewerbsbetriebe erbauten Häuser,
wurde die Einwanderung neuer Handwerker veranlaßt und nach und nach tauchen in
den Städten wieder Schneider, Schuster, Bäcker, Tischler, Schlosser auf. Freilich ging
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch