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zieht der weißköpfige Geier seine Kreise über der europäischen Türkenstadt, aus der die
schlanken Palmenschäfte von fünfunddreißig weißen Minarets mit silbergleißenden Spitz-
dächern aufsteigen. Dieauf dem ganzen Balkan gerühmten „hundert Moscheen von Sarajevo"
sind keine Fabel, denn die Stadt besitzt heute deren thatsächlich zweiundneunzig, nachdem
einige Jahre früher vier Moscheen Bränden zum Opfer gefallen oder demolirt werden
mußten. Viele dieser Moscheen sind jedoch mit einem gewöhnlichen Ziegeldache versehen,
und haben bloß ein niedriges von den Witterungseinflüssen graugefärbtes Holz-Minaret,
das sich in dem Häusergewirr wenig bemerkbar macht.
Sechs von den sieben Stadtbezirken Sarajevos grnppiren sich enge um den siebenten,
der am rechten Flußufer das Centrum der Stadt bedeutet: das Handelsviertel, die
Carsija. Den Westeingang der Stadt bildet der Kosevobezirk, der sich um den Fuß des
von den nördlichen Höhen losgetrennten Humberges schlingt und in dem Seitenthal der
Kosevo verliert. Daran schließen sich die Bergviertel Bjelava und Kovaci, die bis zu den
verfallenden Mauern des „Grad" reichen. An der Lehne des Pasinbrdo, unterhalb des
isolirteu Felsknopfes „Bakije", wo sich der vornehmste mohammedanische Friedhof aus-
dehnt, hängt die stille Oberstadt. Auf den der düsteren Miljacka-Schlucht zugewendeten
Wänden nnd Riffen halten zwei Bastionen, die alte „weiße" — Jckala genannt — und
die tiefer liegende neuere „gelbe", die Tekovicka Tabija, ihren Auslug. Gegenüber am
linken Flußufer hält der Bezirk Hrvatiu die Vorstufen zu der mächtigen, ein neues Fort
tragenden Draguljac-Kuppe besetzt, zu der, an dem Aussichtspunkte „Kapa" vorüber, der
„Appelweg" führt; und endlich schließt der bis zu den Felswänden des Trebovic hinan-
klimmende Bezirk Bistrik-Eobanija den Ring. Die sieben Bezirke zerfallen wieder in hun-
dertsechs Quartiere, sogenannte Mahalas, deren alte amtliche türkische Benennungen
ungebräuchlich sind und fast durchwegs vom Volke durch slavische Namen ersetzt wurden.
Diese Benennungen liefern oft einen Behelf zur Erforschung der Localgeschichte.
Urkunden gibt es nicht; die furchtbaren Brände, welche die Stadt oft heimgesucht, ließen
nichts auf uus kommen; Kriege und die oft die ganze Einwohnerschaft niederwüthenden
Pestepidemien verwischten die Erinnerung an historische Ereignisse bis auf wenige
undeutliche Spuren. So viel scheint sicher zu sein, daß jener exponirte Punkt, auf dem
die weiße Bastion steht, von jeher befestigt war. Er trug wohl jene Burg „Vrhbosua",
von der in den Urkunden als „Varbossanie" oder „Werchbossania" so häufig die Rede ist.
Die Tradition will wissen, daß Mehmed Fatih 1463 auf seinem das bosnische
Königreich zerschmetternden Siegeszuge diesen Punkt eroberte. Er wurde von einem seiner
Heerführer, dem Tatar-Khan Kiraj erstürmt, und von hier aus soll Hodidjed eine zwei
Stunden aufwärts im Miljacka-Defili liegende, damals schier uneinnehmbare Burg,
deren geringe Reste man von der weißen Bastion aus zu sehen vermag, mit Kanonen
Bosnien und Hercegovina. ^
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch