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ihren aus Klaubsteinen hergestellten Hügelgräbern hin, an denen zwei Jahrtausende
spurlos vorübergingen, bis der moderne Forschergeist ihren kostbaren Inhalt zu bergen
begann. Zum Schutze ihres uns nur in nebelhaften Umrissen vorschwebenden Daseins,
das, von seinem eigenen Flitter überdauert, längst in Asche zerfallen, warfen sie auf den
Zugängen und ifolirten Kuppen Wallburgen auf, welche die Wehr der natürlichen Boden-
bildung noch verstärkten. Und hier blühten und schwanden jene Namenlosen, und aus dem
Dämmer ihrer Zeit blieben außer dem reichen Leichenschmuck kaum einige altillyrische
Ortsbenennungen und verschwimmende Sagenspuren.
Doch so wie dereinst stampfen edle Rosse die Weidegründe, trippeln ungeheure
Schafheerden über die Kalkschollen der Abdachungen. Aus tiefen Brunnen schöpft man
das Wasser für sie, das die Karstlöcher neidisch verschlingen. Pferdekaravanen, mit dem
süßen Glasinacer Heu beladen, ziehen, von übermüthigen Fohlen nmhüpst, bedächtig
einher. Und trägt die dünne, kühle Luft auch den zittrigen Klang des Glöckleins
von Sokolac weithin über die baumlose Ebene, sprechen die hohen, ernsten Menschen
auch die slavische Zunge, so vermögen diese Laute doch nicht den über dem Glasinae
schwebenden melancholischen Zauber des freien altillyrischen Lebens zu stören, dem
der schweigsame Hirte auf seiner Doppelflöte in urzeitlich schwermüthigen Klangfolgen
Ausdruck verleiht.
Die Zinnen und Thürme der Glasinac-Burg werden von der am Südwestende des
Plateaus fußenden Romanija-Planina gebildet, die, von der Hochebene aus nur als
Randerhebungen erkenntlich, den umliegenden tiefen Thälern die volle Pracht ihres
Anblicks gewährt. Wie von Urgewalten aus einem einzigen Block herausgehauen, springt
sie im spitzen Winkel in die Thalgründe vor, und der obere Rand der glatten, stellenweise
überhängenden Felsenmauern deutet gleichzeitig an zwei Orten die Gipfelhöhen der
Planina an. Knapp unter der Baumgrenze gelegen, rauschen Urwaldtannen in den
ungeheuren Karsttrichtern, ein Wirrniß voll von Höhlen und Schlupfwinkeln, das selbst
den Ortskundigen im Kreise umherirren läßt, der Schauplatz des großen Sagen- und
Liederkreises vom Starina Novak, in dem die südslavischen Helden der Planina ihr
Vorbild, den Begründer der Hajduciua sahen.
D a s Dr inagebie t .— Auch jenseits des Ranjen-Riesenwalles findet man das
grüne bosnische Faltengebirge mit seinen schluchtigen, schnellen Wasserläufen, seinen tiefen
Thälern und den hoch sich aufbauenden Bergen; auch die Absiedlungen des Menschen sind
von den anderen nicht verschieden, und dennoch ist das „Podrinje" — das Land an der
oberen Drina — ein eigenartiges Gebiet. Er hat etwas Weltabgekehrtes, dieser südöst-
liche stille Winkel, den das Amselfeld durch die fließenden Wässer grüßt. Auf den Höhen
stehen verfallene Wachthäuser, in den engen Thälern die Ruinen orthodoxer Kirchen und
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch