Page - 136 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22
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Borija und jenseits des Vratloüberganges in Rata j . Dieses zeigt wirklich „von
entschwundener Prach t . . . " Ein ganzes großes Dorf mit lauter Cengi^i und zwischen den
bescheidenen Häuschen und Flechtzäunen mehrere Knlas, eine davon in vierzehn Stockwerken
einhundertzwanzig Ellen hoch; schloßartige Gebäude, mit weiten verödeten Hallen, in deren
einer noch die drei Stangen mit den Roßschweifen hängen, die einem Ahnen — Ali
Pascha Cengie — verliehen wurden. Kunstvolles wurmstichiges Schnitzwerk an den
Decken und Wänden, Reste persischer Fayencen und kostbare bunte Glastafeln in den
Fenstern. Nächst den Ratajer Gärten ragt an einer steinigen Stelle ein einzelner Kalk-
block, in den eine Zelle gehauen ist, aus dem Boden: das ehemalige Grab des heiligen
Vasilije (Basilius), das — wie die Familiensage geht — von dem Ahnen der Eengici, der
mit Mehmed Fatih ins Land gekommen, hier vorgefunden wurde. Das an die Grabstätte
angebaute Kloster wandelte er in eine Moschee um, die jetzt in Trümmern liegt, und hütete
so die Gebeine des Heiligen. Zweimal raubten sie die Montenegriner, und über Nacht
waren sie wieder da. Als der Ahne aber gestorben war, verkaufte sein Schreiber, ein Softa,
den Heiligen an die Montenegriner, die ihn in Ostrog beisetzten. Nun kam er nicht mehr.
Die politische Grenze der Hercegovina läuft am nördlichen Schluchtrande der
Narenta, aber das Volk schiebt sie mit einem richtigen Gefühl für geographische nnd
ethnographische Zusammengehörigkeit viel weiter hinauf und reelamirt den ganzen Hoch-
zng noch für die Hercegovina. Es sind auch ausschließlich Hereegovcen, die gutmüthigen
Hnmnjaci und die stolzen Rudiujani aus der Landschaft von Bilek, welche die großartigen
Sommerweiden der Lelija und Zelengora mit Dnmos nnd Stirine bevölkern. Selten
vermag man eine solche Vereinigung von Lieblichem und Großartigem zu finden wie hier:
zwischen todten Steinhalden blumenreiche Grasfluren; in Höhen, in denen nur noch das
Krummholz ausharrt, glänzende Seespiegel in meerestiefen Steinbehältern. Eine erhaben-
einfache, herb-friedliche Natur, ein ideales Hirtenreich für entbehrungsfreudige Bergvölker.
So möchten wohl auch die Hirtenfürsten empfunden haben, die hier oben auf den licht-
uud luftumslossenen freien Almen ihre letzte Ruhestätte sich erwählt. Auf kahlen, trauernden
Kuppen, an den Ufern der schweigenden Seen lasten Sarkophage mit reichem fignralen
und ornamentalen Schmuck auf den Gräbern jener „Herren der Einsamkeit", die noch im
Tode die Reisigzelte der Ihrigen überschauen nnd bewachen. Am Eliastage — 1. August —
den auch die Mohammedaner als „Ali Dznn" feiern, widerhallt die Planina von Gesängen
nnd Schalmeitönen. Die Thalbewohner kommen schon am Vorabende in Festtagsgewändern
herauf, die „Boracer Türken" mit ihren Frauen, und an den Quellen, den Seen, an den
die Tiefe der Karsttrichter ausfüllenden eisigen Tümpeln werden all jene uralten Gebräuche
beobachtet, die von den Voreltern auf uns kamen: von den harmlosen Reigentänzen an
bis zu den Gottesurtheilen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch