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Herz des Hirten, der den Feldbau verachtet und seinen Betrieb, wenn er ihn schon kennt,
den ebenfalls geringgeschätzten Frauen überläßt.
Die Unstätheit des Hirtenlebens gestattet keinen festeren Anschluß an den Boden, keinen
Aufschwung jener Künste, die nur bei strengem Beharren auf der Scholle höhere Pflege
finden können, namentlich der Bankunst, aber auch der Töpferei. Es ist gewiß merkwürdig,
wie wenige und wie unbedeutende Thongefäße auf dem Glasinac gefunden worden sind.
Im Vergleiche zu Butmir oder zu der Hallstättischen Keramik Österreichs und Süddeutsch-
lands ist es nur schlechte und geringe Waare, die da oben auf der grasigen Hochebene geformt
und gebrannt wurde. Allerdings findet sich hin und wieder ein kleines griechisches Thon-
gefäß, aber es ist importirt und läßt nur noch deutlicher erkennen, wie weit man in diesem
Zweige zurückgeblieben war. Ferner stehen auf dem Glasinac zahlreiche Steinbauwerke;
aber es sind nur rohe, mehr oder minder kreisförmige Aufschüttungen von Steinen, womit
Hügelflächen abgegrenzt sind. Diese Ringwälle waren Fluchtburgen, Gerichtsstätten oder
Versammlungsplätze der einzelnen Großfamilien, aus welchen sich der Stamm zusammensetzte.
Ihre sehr verschiedene Größe deutet auf ungleiche Stärke jener Gruppen, unter denen es arme,
schwache und starke, ansehnliche gegeben haben wird. In unruhigen Zeiten trieb man wohl
zunächst das Vieh auf jene umwallten Anhöhen. Der Boden war zweifellos Gemeindebesitz
aller Angehörigen einer socialen Gruppe; aber die Heerdeu bildeten den Jndividualbesitz und
das werthvollste Object des Wohlstandes. Eine Quelle ungleicher Vertheiluug des letzteren,
wie sie aus der verschiedenen Ausstattung der Gräber sich erkennen läßt, bildeten gewiß auch
die häufigen Stammesfehden, in welchen der kriegstüchtige Mann Vieh und Sklaven
erbeutete, während der Untüchtige solche verlor. Die alten Jllyrier waren ein wehrhaftes,
beutelustiges Volk, aber keineswegs ein Räubervolk schlechthin. Zu Eroberungen nach Außen
haben sie es nicht gebracht, denn sie lebten in politischer Zersplitterung unter zahlreichen
Häuptlingen, wie es in der centrifugaleu Neigung des Hirtenlebens begründet ist.
Anders die Kelten, welche nach der Mitte des letzten Jahrtausends vor Christo von
Norden her in Bosnien eingedrungen sind. Die Kelten haben, begünstigt durch die politische
Ohnmacht der Jllyrier, eine neue Ordnung begründet. Sie waren Ackerbauer und strebten
nach dem Besitze fruchtbarer Ländereien, welche sie von den unterworfenen Eingeborenen
bebauen lassen konnten. Daher ließen sie die Jllyrier im ungestörten Besitze der für den
Feldbau minder geeigneten Hochebenen nnd Gebirgsgegenden und drückten namentlich dem
Osten des Landes kein neues Gepräge auf. Dagegen entrissen sie einen Theil des Westens
seinen alten Bewohnern, drängten diese nach Süden und ließen sie dort im Kampfe mit
anderen illyrischen Stämmen sich aufreiben. Ihre Ankunft inangnrirt die Ära des Feld-
baues in Bosnien. Doch ist dieses Gebiet, seiner natürlichen Beschaffenheit gemäß, bis auf
den heutigen Tag vorwiegend ein Hirtenland geblieben.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch