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Ost und West verfolgte. Er war ein großer Feldherr, der die kriegerischen Fähigkeiten
seiner Nation entwickelte, seinen Staat organisirte, und ein weitausschauender Politiker,
dessen Blick von den entlegensten Punkten des Westens bis in die dunklen Länder des
damals noch beinahe unbekannten Nordostens reichte. Auch mit seinem Reiche ging es
nach seinem Tode allmälig zwar auch abwärts; alle die Schöpfungen, die seinem indivi-
duellen Geiste ihr Leben verdankten, gingen mit seinem Tode zugrunde; der Staat aber,
den er geschaffen, die Macht und das Ansehen der Nation erhielten sich auch dann, als
seine Erwerbungen abfielen. Er drang ans adriatische Meer vor, besiegte Venedig und wurde
Herr der Levante; das Land von Fiume bis Dnrazzo, von der Save bis zur Donaumündung,
das heutige Nordbulgarien sammt dem heutigen Serbien und Rumänien wurde in diese
Interessensphäre Ungarns einbezogen, und in diesen Bestrebungen zeigt sich die Richtung,
welche eine centrale Donaumacht damals verfolgen mußte. Als er die Tochter des bosnischen
Banns Stefan zu seiner Gemalin erkor, war dies zugleich eine Regung seines Herzens
und die That des scharfsichtigen Politikers, der sich so den ruhigen Besitz des Balkan-
dreieckes sicherte, denn einen directen Einfluß konnte der König nur dann ausüben, wenn
er selbst der unmittelbare Besitzer eines Theiles der Halbinsel war.
Sowohl in Serbien wie auch in Bosnien konnte sich nie ein Herrscherhaus längere
Zeit erhalten; entweder fehlten die Nachkommen oder es brach Bruderzwist in der Familie
aus, oder es konnte das Legitimitätsprincip nicht durchdringen, weil die Stämme sich ihr
freies Wahlrecht nie nehmen ließen. Auch Stefan Kotromaniö hatte keine männlichen
Sprossen, doch war sein Ansehen so groß, daß, als er (1354) starb, sein Neffe Tvrtko
seine Würde erbte. Mit Tvrtko tritt Bosnien in neue Bahnen.
Nicht ganz zwei Jahre nach Tvrtkos Regierungsantritt starb Dusau der Starke auf
dem Gipfel seiner Macht. Das Serbenreich zerfiel. Nachdem bis in die Mitte des
XIV. Jahrhunderts die serbischen Stammesgebiete bezüglich der königlichen Eentralgewalt
eine centripetale, die bosnisch-hercegovinischen Binnenlande aber im Gegentheile eine
centrisugale Tendenz gezeigt hatten, ändert sich mit dem Tode des Herrschers dieses
Verhältniß. Venedig war durch Ludwig von Anjon gedemüthigt, Ragusa als freie
Republik pflanzte das Banner Ungarns auf (1358). Der junge Ban Tvrtko, obwohl
zuerst durch Jnsurrectioueu der einzelnen Stammeshäuptlinge zur Uuthätigkeit verurtheilt,
behauptete dennoch seine Gewalt.
Ein neuer Factor tritt schicksalsbestimmend auf die Bühne der Balkangeschichte: es
sind die Osmanen, denen es beschieden ist, die Balkanhalbinsel Jahrhunderte hindurch
beinahe vollständig zu besitzen.
In der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, zur Regierungszeit Königs Ludwigs
von Anjon und Dusans, gibt sich das Vordringen des türkischen Elementes nur mittelbar
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch