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gerade das Gegentheil, indem die niederen Classen im Gegensatze zu ihren Herren treu,
sogar fanatisch zum Alten hielten. Der Grund dieser Erscheinung bei der katholischen
Bevölkerung ist in dem klugen Verhalte» der Franciseauer zu suchen, welche kurze Zeit
nach dem Falle Bosniens den Sultan so geschickt von der Nützlichkeit ihrer Mission
für das türkische Staatswesen zu überzeugen wußten, daß sie vom Sultan in dem
berühmten Ahdname Privilegien erhielten, die ihnen in gewisser Beziehung Sonderrechte
sicherten. Sie hatten aber auch einen großen Rückhalt in Rom. Da half das im XV. Jahr-
hundert gegründete ^ollexium Illvricum, das Schoßkind der Päpste, welches speciell für
die Balkanhalbinsel Missionäre erzog und von der Curie immer liebreich behandelt wurde,
auch von der letzten in Rom verstorbenen bosnischen Königin Legate erhielt und dadurch
die traditionelle Hüterin des Resurrectionsgedaukeus wurde. Es unterstützte die Francis-
caner moralisch uud materiell in jeder Beziehung.
Die Gefahr, inmitten deren die Franciscaner das Kreuz hoch hielten in einem Lande,
wo von Seite der Machthaber ihr Leben jeden Augenblick in Gefahr kam, stählte diese
klugen Köpfe, und im Laufe der Zeit lebten sie sich so in den Gedankengang ihrer Herren
hinein, daß sie die Türken mit deren eigener Waffe, der Verschlagenheit, besiegten. Sie
machten sich im vollen Sinne des Wortes unentbehrlich. Als Ärzte und mit Hilfe ihrer
Reliquien imponierten sie auch der mohammedanischen Bevölkerung; viele mohammedanische
Frauen ließen sich in schweren Krankheitsfällen sogar tanfeu.uud durch ihren internationalen
Schliff und ihre wenn auch nicht westeuropäische, jedoch den Übrigen weitaus überlegene
Gelehrsamkeit imponirten sie dem Statthalter. Sie hatten nur den einen Fehler, dass sehr
oft persönlicher Zwist ihre Eintracht störte.
Die orthodoxe Bevölkerung, zumeist Hirten, zahlreich im Karste der Hereegoviua
und in Ostbosnien zerstreut, lebte getreu den alten Formen auch ohne besondere geistliche
Obrigkeit weiter fort. Ihre traditionelle Anhänglichkeit an die Religion wurzelt viel
weniger in der Glaubenstreue, als im zähen Festhalten an den alten Sitten und zum Theil
auch darin, daß sie die mohammedanische Glaubenslehre weniger als Glaubensform, denn
als eine fremde Sitten importirende Richtung ansahen. Der Katholicismus mit seinem
Latein war ihnen ebenso verhaßt, als der Mohammedaner mit seinem arabischen Koran,
und in ihrem passiven Widerstande unbeachtet, richtiger gesagt verachtet, vermehrte sich die
orthodoxe Bevölkerung. Ihre Geistlichkeit war damals gänzlich verkomme»; lesen oder
schreiben konnten nur Wenige von ihnen und gleichzeitige Berichte betonen einstimmig,
daß ihre Priester mehr Wölfe als Hirteu ihrer Herde seien. Durch Elemente, die aus
dem Süden einwanderten, verstärkt, durch griechische, albanesische nnd cincarische Elemente
ansgefrischt, bildete sich langsam der Kern eines christlichen Handelsstandes, der in den
Städten von den Türken anfangs geduldet, dann durch die Verlotterung des Regimes
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch