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Der Begriff des p1eu>e wurde im Mittelalter besonders hochgehalten und war,
wenn auch nicht von den Königen, so doch von der Tradition sanctionirt und gleich-
bedeutend mit dem westeuropäischen Adelsbegriff; »plemenit xospollin« ,var die höchste
Titulatur, die man dem Könige gab, .plomenstvo vi" (etwa Ew. Edlen) war die
Apostrophe für besonders hervorragende Edelleute, und das Territorium, welches deren
Stammesland umfaßte, hieß plemeni ta duZtinn (Stammeserbe), p lemeni la
oder plemeni to (Stammland). Die Verehrung dieses Stammlandes war so
groß, daß es in Grabschriften in der Regel besonders betont wnrde, wenn der Todte auf
seinem Erbe ruhte, welches nach einer Inschrift ein „weiches, sanftes Ruhebett" war. Es
sind Fälle bekannt, daß man Helden, denen das Glück nicht zu Theil wurde, im Erblaude
zu ruhen, dort wenigstens ein Grabdenkmal errichtete (Brankoviti).
Den Ursprung der Stämme leitet die orthodoxe Bevölkerung der südlichen Heree-
govina von jenem Ahnherrn ab, der zuerst zum Christeuthum übertrat, desseu Taufpatron
zum Schutzheiligen seiner gesammten Nachkommenschaft ward, nnd dessen Festtag (krsno
ime) besonders geheiligt wird. Eine solche Stammesangehörigkeit bildet trotz der
liberaleren canonischen Auffassung nach der Volksanschannng ein unüberwindliches Ehe-
hindernis, das nur iu der Weise umgangen wurde, daß ein Theil des Stammes einen
anderen Schutzheiligen annahm und auf diese Weise ein neues Geschlecht bildete.
Auch unter den Mohammedanern erhielt sich die alte Stammverfassung bis auf
die Gegenwart. Als die Osmauen das Land eroberten, traten viele bosnische Stämme
zum Islam über, und diese behielten auch als Mohammedaner ihren alten Stammes-
namen bei und nannten sich seither Begs. Diese bosnischen Begsamilien sind auf ihre
Abstammung stolz und liefen: das einzige Beispiel eines erblichen Geschlechtsadels
im Oriente.
Die Zugehörigkeit zu eiuem Stamme brachte es mit sich, daß der Einzelne, auf die
Gesammtheit augewiesen, im Nothfalle auch an deren Hilfe appelliren durfte, und so fand
das Individuum an dieser Gemeinsamkeit einen mächtigen Rückhalt.
Einzelne Stämme spalteten sich mit der Zeit in Bruderschaften (kiatstva), die
je eiu gemeinsamer Familiennamen charakterisirt. Die Bruderschaften entstanden durch
Auswanderung oder Theilung vom Hauptstamme, wobei die Augehörigen uud Nach-
kommen des Bruderstammes den Namen von dem Oberhaupte desselben erhielten. Da
die Angehörigen eines Stammes ursprünglich einen gemeinsamen Namen und zur persön-
lichen Unterscheidung noch einen Bei- oder Spitznamen hatten, so erklärt es sich, daß als
Benennungen der Bratstva zumeist solche Spitznamen gebräuchlich sind, gegen welche der
ursprüngliche Stammname zurücktrat. Als die Bruderschaften mit der Zeit an Ilmfang
gewannen, theilten sie sich wieder in einzelne Hausgenossenschaften.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch