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ein Paar aneinander Gefallen, so führt der Bnrsche sein Mädchen Hand in Hand nach
Hause, doch stets unter Aufsicht der Mutter oder einer anderen verläßlichen Frau.
Bei den Katholiken ist es Brauch, daß Burschen und Mädchen, wenn sie vom Kolo-
tanze ermüdet sind, sich zurückziehen, um vertraulich zu plaudern. Das Mädchen lehnt sich
dann an eine Mauer oder Planke, der Bursche schmiegt sich an sie, und indem er beide
Hände über dem Scheitel spreizt, verdeckt er mit den weiten Ärmeln das erröthende Antlitz
seiner Schönen vor fremden Blicken. So Plaudern die Paare und träumen vom Hochzeits-
tage bis sie die Tanzlust von Neuem in den Reigen ruft.
Der bei solchen Gelegenheiten beliebteste Tanz ist das Kolo, wobei sich die Tänzer
in dicht gedrängtem Kreise und rhythmisch langsamem Schritt nach rechts und links drehen.
Die Mnsik dazu liefert ein geschickter Schalmeibläser, oder die Mädchen singen abwechselnd
neckische Strophen. Eine eigene Art des Kolotanzes ist das Helden-Kolo (junaeko Kalo),
welches in der Umgebung von Glamoc getanzt wird. Es tanzen dabei nur Mädchen paar-
weise, wobei sie nach jedem sich vorbewegenden Tacte einen mächtigen Sprung machen.
Mohammedanischen Mädchen, die sich vom sechzehnten Jahre an keinem fremden
Manne zeigen dürfen, bietet das ^sck ik l ik (wörtlich die Liebe, welches aber identisch
ist mit dem alpinen „Fensterln") die einzige Gelegenheit, mit jungen Leuten zu plaudern.
Am Freitag nach Mittag finden sich die Mädchen an der Hofthüre ein, um durch eine
schmale Spalte mit ihren Erwählten zn sprechen. In besseren Häusern ist im Hofe
neben dem Thore ein terrassenartiges Holzgestell — die Sofa — angebracht, von wo
aus sie durch ein dicht vergittertes kleines Fensterchen — ki-ivi ckemir — mit ihren
Burschen plaudern.
Obwohl die Liebe ein wichtiges Moment bei der Wahl der Braut ist, so gibt es in
Bosnien noch ein wichtigeres — die Familie. Der Hausvater übt volle Gewalt über
seine Angehörigen aus, und sein Wunsch und Wille ist auch bei der Brautwahl entscheidend.
Wie viele Heiraten wurden geschlossen, wobei der Bräutigam seine Braut nur vom
„Hören-Sagen" (pv euven^u) kannte, weil der Bater sie für ihn gewählt hatte. Ans
Rücksicht für den Bestand der Familie geschieht es auch häufig, daß, falls zu wenig weibliche
Arbeitskräfte im Hause siud, um die Arbeit zu bewältigen, numündige Knaben an ältere
Mädchen verheiratet werden, um dereinst, zur Vernunft gelangt, zeitlebens unglücklich zu feiu.
Bei der Wahl einer Lebensgenossin wird genaue Berücksichtigung aller Ehe-
hindernisse beobachtet. In dieser Beziehung ist die Bolksauschaunng weit scrnpnlöser als
das kanonische oder das Scheriatsrecht, indem nicht nur die Blutsverwandtschaft, sondern
auch die Wahlverwandtschaft (pobi a t imstvo) ein Ehehinderniß bildet. Auch die Paten-
schaft, und zwar sowohl die nasse (d.is ist Tauspathenschaft), als auch die trockene
(das ist Trau- uud Schurpatheuschaft), ja selbst die Milchbruderschaft schließen eine Ehe aus.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch