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für folgerichtige Entwicklung und einen stärkeren Aufschwung. Die Könige erschienen nur
selten in den urwaldbedeckten, spärlich bewohnten und entlegenen Gegenden dieses
Landestheiles. Die Wojwoden, die hier als Vertreter der königlichen Macht schalteten,
interessirten sich nicht sonderlich für das Gedeihen des Bauwesens. Bisthum und Capitel
verfügten über verhältnißmäßig zu geringe Mittel, um den Kosten einer größeren und
reicheren Bauthätigkeit gewachsen zu sein. Mönche, diese Pfleger der Kunst im Mittelalter,
ließen sich hier selten nieder. Die Kirchengemeinden waren arm. Die Gäste (kospites) —
wie die unter Göza II. und Andreas II. hier angesiedelten Deutschen in den damaligen
Urkunden heißen — waren vollauf beschäftigt, den Boden der neuen Heimath urbar und
bewohnbar zu machen, ihn gegen Störung durch äußere und innere Feinde zu sichern und
ihre politischen Vorrechte aufrechtzuerhalten; sie bauten ihre Kirchen, die zugleich als feste
Plätze dienen sollten, ärmlich und einfach, aber zur Betonung ihrer Rechte aus eigenen
Mitteln. Mehrere Jahrhunderte hindurch ging bei ihnen die kirchliche Baukunst Hand in
Hand mit der Befestigungskunst, nicht ohne zur Entwicklung eines eigenthümlichen Systems
zu führen, das es jedoch zu keiner höheren künstlerischen Entfaltung gebracht hat.
Die geographische Lage dieses Landestheiles, als eines gefährdeten Grenzbezirkes,
und die Vielgestaltigkeit seiner politischen Einrichtungen prägen sich, außer in jenen
eigenthümlichen Kirchen der „Gäste", auch in der großen Zahl und Mannigfaltigkeit der
Burgen aus. Ist doch Siebenbürgen, in dem Gebirgskranze seiner Karpathen, selbst schon
eine ungeheuere natürliche Burg, und so ist es zugleich das Land der vielen Burgen.
Und noch anderweitig zeigt sich die Wirkung der geographischen Lage; sie drückt
ihren Stempel der gesammten baulichen Thätigkeit auf, sie tritt im Ganzen und in den
Details der Bauten zu Tage. Ist schon Ungarn an sich östlich gelegen, wie viel mehr sein
östlichster Theil, der durch Bodengestalt, Bevölkerung und Institutionen mit ihm
zusammenhängend und doch wieder von ihm getrennt, halb dem Westen, halb dem Osten
angehört, mit der westlichen Cultur aber sich hauptsächlich über das Mutterland weg
berührt. Der Einfluß einer derartigen Lage zeigt sich auf dem Gebiete der Baukunst darin,
daß die Verbindung mit der westlichen Kunst zu Zeiten abreißt. Dieser Umstand, nebst
dem Obwalten der erwähnten praktischen Gesichtspunkte, schließt schon von vornherein die
reichere, gewähltere Durchführung eines Bauwerkes aus, und damit natürlich auch die
Entwicklung der Baukunst in einer künstlerischeren, freieren Richtung. Die bautechnische
Unersahrenheit, zu der sich oft noch Eilfertigkeit gesellt, verräth sich in der fast allgemeinen
Untüchtigkeit der Aufmauerung, nicht ohne auch die constructiven Formen empfindlich zu
schädigen. Diese und die Ornamente leiden am meisten.
Dieses Schicksal der von Westen her über den Königssteig gewanderten Baukunst
erscheint noch charakteristischer, wenn man es auch an Orten und zu Zeiten sich vollziehen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch